Haftung des Arbeitnehmers

1.     Was versteht man unter Arbeitnehmerhaftung und welche Anspruchsgrundlagen gibt es?

Ein Arbeitnehmer muss einen Schaden, der durch sein pflichtwidriges und schuldhaftes Verhalten entsteht, ersetzen (sog. Arbeitnehmerhaftung). Der Anspruch auf Schadenersatz bei Vertragspflichtverletzungen ergibt sich aus § 280 Abs. 1 BGB. Die Beweislastregelung des § 619a BGB gilt nur für Pflichtverletzungen im Rahmen des Arbeitsverhältnisses. Für deliktische Ansprüche ist der Arbeitgeber ohnehin darlegungs- und beweispflichtig.

Der Arbeitgeber kann Schadensersatz verlangen, wenn der Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt, ein Schaden entsteht, ein Kausalzusammenhang zwischen Vertragsverletzung und Schaden besteht und der Arbeitnehmer die Vertragsverletzung zu vertreten hat. Bei begründetem Verdacht einer Vertragsverletzung oder einer unerlaubten Handlung kann dem Arbeitgeber ein Auskunftsanspruch zustehen.

 

2.     Wann liegt eine Pflichtverletzung vor?

Die Pflichten des Arbeitnehmers sind anhand des Arbeitsvertrags zu bestimmen. Zu den Pflichten gehören beispielsweise die Obhuts- und Aufbewahrungspflichten bezüglich der ihm anvertrauten Werkzeuge, Materialien und Gerätschaften. Der Arbeitnehmer muss die üblichen Fertigkeiten und Kenntnisse seiner Berufsgruppe bei seiner Arbeit einsetzen und erteilten Weisungen nachkommen. Für Handwerker besteht daher beispielsweise die Pflicht fach- und sachgerecht zu arbeiten.

Für das Vorliegen einer Pflichtverletzung trägt der Arbeitgeber gemäß § 619a BGB die Darlegungs- und Beweislast.

 

3.     Was versteht man unter dem Begriff „Kausalzusammenhang“?

Für eine Schadensersatzpflicht muss ein Kausalzusammenhang zwischen der Vertragsverletzung, dem Verletzungserfolg und den geltend gemachten Schäden bestehen. Nach der Äquivalenztheorie liegt der Kausalzusammenhang vor, wenn die Verletzungshandlung nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass die konkrete Rechtsverletzung entfiele. Die Haftung ist jedoch auf Schadensfolgen begrenzt, die aus der Gefahrenlage resultieren, zu deren Vermeidung die verletzte Norm erlassen wurde. Diese normative Haftungsbegrenzung gilt sowohl für die vertragliche als auch die deliktische Haftung.

 

4.     Was ist ein „Schaden“ und wann liegt ein solcher vor?

Ein Schaden liegt vor, wenn jemand durch einen spezifischen Vorfall oder ein Ereignis einen Nachteil an seinen Rechtsgütern wie Gesundheit, körperlicher Unversehrtheit, Eigentum oder bestimmten Vermögenswerten erleidet.

Im Arbeitsrecht gelten die allgemeinen Grundsätze des Bürgerlichen Rechts für die Beurteilung von Schäden. Der Schaden ist die Differenz zwischen der tatsächlichen und der hypothetischen Lage ohne das Schadensereignis (sog. Differenzhypothese). Diese Hypothese unterliegt jedoch einer normativen Kontrolle. Zu berücksichtigen ist dabei sowohl das konkrete haftungsbegründende Ereignis als Haftungsgrundlage als auch die darauf beruhende Vermögensminderung unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände.

Voneinander abzugrenzen sind grundsätzlich zwei Arten von Schäden: Vermögens- und Nichtvermögensschäden. Ein Vermögensschaden ist jede in Geld bewertbare Einbuße. Zu bemessen ist sie nach der Differenzhypothese bzw. dem Geldwert. Auch entgangener Verdienst zählt gemäß § 252 BGB dazu. Wenn Körper, Gesundheit, Freiheit oder sexuelle Selbstbestimmung verletzt werden, kann laut § 253 Abs. 2 BGB nicht nur Schadensersatz, sondern auch eine angemessene Entschädigung in Geld für den Nichtvermögensschaden verlangt werden (sog. Schmerzensgeld).

Zum zu ersetzenden Schaden gehören auch mittelbare Schäden wie der Ersatz der Schließanlage bei Schlüsselverlust und Rechtsverfolgungskosten. Schädigt der Arbeitnehmer den Arbeitgeber fortlaufend durch Diebstähle oder Unterschlagungen muss er auch Detektivkosten ersetzen, sofern ein vernünftiger Arbeitgeber den Einsatz als erforderlich ansieht.

Gemachte Aufwendungen, die infolge eines schädigenden Ereignisses fehlschlagen, können ebenfalls einen Vermögensschaden darstellen, sofern es sich um besondere Aufwendungen für einen einmaligen Zweck handelt.

Ob die Arbeitskraft als Vermögensgut anzusehen ist, wird unterschiedlich beurteilt. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs führt allein die Einschränkung der Arbeitskraft nicht zum Schadensersatz. Es muss ein tatsächlicher Verdienst- oder Gewinnausfall vorliegen. Falls jedoch der für die Arbeitsleistung getätigte Aufwand an Zeit und Mühe ohne das schädigende Ereignis für gewinnbringende Tätigkeit genutzt worden wäre, kann dies als Vermögensschaden betrachtet werden. Darüber hinaus kann auch der Personalaufwand für Reparaturen als Schaden angesehen werden.

 

5.     Wann liegt ein Verschulden vor?

Sofern weder eine strengere noch eine mildere Haftung ausdrücklich festgelegt oder aus dem Inhalt des Schuldverhältnisses ersichtlich ist, hat der Arbeitnehmer gemäß § 276 Abs. 1 S. 1 BGB Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Grundsätzlich besteht jedoch die Möglichkeit einer hiervon abweichenden arbeitsvertraglichen Regelung.

Vorsatz ist anzunehmen, wenn der Handelnde den rechtswidrigen Erfolg vorausgesehen und gewollt hat oder ihn vorausgesehen und billigend in Kauf genommen hat. Vorsätzliches Handeln setzt ferner voraus, dass der konkrete Schaden in seiner konkreten Höhe zumindest als möglich vorausgesehen wird und für den Fall des Eintritts billigend in Kauf genommen wird.

Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt wird und der Schädiger unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte klar sein müssen. Dabei sind sowohl objektive als auch subjektive Umstände zu berücksichtigen.

Im Falle mittlerer Fahrlässigkeit hat der Arbeitnehmer gemäß § 276 Abs. 2 BGB die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht beachtet und der schuldhaft herbeigeführte Erfolg wäre bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt vorhersehbar und vermeidbar gewesen.

Von leichtester Fahrlässigkeit spricht man in Fällen des „Sich-Vergreifens“. Damit sind Fälle gemeint, die knapp am Verschulden vorbeischrammen und als Versehen bezeichnet werden können.

Wenn der Arbeitnehmer einen Dritten hinzuzieht, um seine Arbeit auszuführen, haftet er, falls die Übertragung der Arbeit rechtswidrig war, beispielsweise bei unzulässiger Überlassung eines Fahrzeugs an Dritte. Falls er jedoch einen Dritten rechtmäßig engagiert hat, um seine arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen, haftet er für dessen Verschulden nach § 278 BGB. Wenn der Arbeitnehmer einen Gehilfen für den Arbeitgeber einstellt, haftet er nach § 276 BGB für dessen Auswahl und gegebenenfalls auch für dessen Überwachung.

 

6.     Wen trifft die Darlegungs- und Beweislast?

Gemäß § 619a BGB muss der Arbeitgeber im Streitfall nachweisen können, dass der Arbeitnehmer seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt hat und ihm deshalb gemäß § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet ist. Erfasst sind hiervon sowohl die Pflichtverletzung als auch das Verschulden des Arbeitnehmers. An die Beweispflicht dürfen jedoch keine übermäßig hohen Anforderungen gestellt werden, wenn sich das schädigende Ereignis in der Sphäre des Arbeitnehmers zugetragen hat.

Sollten tatsächliche Umstände vorliegen, die auf eine grob fahrlässige Handlung des Arbeitnehmers schließen lassen, muss dieser entlastende Gesichtspunkte konkret vorbringen.

 

7.     Kann die Arbeitnehmerhaftung eingeschränkt werden?

Ja. Das Bundesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 27.9.1994 Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung entwickelt (sog. innerbetrieblicher Schadensausgleich). Die Beschränkung der Haftung folgt demnach aus § 254 BGB.

Die Haftungsbeschränkung gilt für alle Tätigkeiten, die aufgrund eines Arbeitsverhältnisses geleistet werden und durch den Betrieb veranlasst sind. Der Haftungsumfang wird durch eine Dreiteilung der Fahrlässigkeit bestimmt. Außerdem ist eine Abwägung der Gesamtumstände, insbesondere von Schadensanlass und Schadensfolgen, unter Berücksichtigung von Billigkeit und Zumutbarkeit erforderlich. Zu den Umständen, denen je nach Einzelfall ein unterschiedliches Gewicht beizumessen ist, gehören unter anderem der Grad des dem Arbeitnehmer zur Last fallenden Verschuldens, die Gefahrgeneigtheit der Arbeit und die Höhe des Schadens. Auch können die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers berücksichtigt werden.

 

7.1       Für wen gilt die Haftungsbeschränkung?

Die Haftungsbegrenzung gilt für alle Arbeitnehmer, auch leitende Angestellte. Gemäß § 10 Abs. 2 BBiG gilt sie auch in Berufsausbildungsverhältnissen. Leiharbeitnehmer sind ebenfalls eingeschlossen, sowohl im Verhältnis zum Verleiher als auch zum Entleiher. Für arbeitnehmerähnliche Personen gilt die Haftungsbeschränkung grundsätzlich nicht. Auch für Selbständige, freie Mitarbeiter, GmbH-Geschäftsführer und Mitglieder des Vorstands einer Aktiengesellschaft gelten die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung in der Regel nicht.

 

7.2       Was versteht man unter einer betrieblich veranlassten Tätigkeit?

Die Haftungsbeschränkung setzt eine betrieblich veranlasste Tätigkeit des Arbeitnehmers voraus. Eine solche liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer im Rahmen seines Arbeitsvertrags oder im Interesse seines Arbeitgebers eine Tätigkeit ausführt.

Dabei ist es unerheblich, ob die Tätigkeit zum eigentlichen Aufgabenbereich des Arbeitnehmers gehört oder nicht. Auch Tätigkeiten, die mit dem Betrieb zusammenhängen, sind inbegriffen. Eine betrieblich veranlasste Tätigkeit liegt auch vor, wenn der Arbeitnehmer seine Verhaltenspflichten grob fahrlässig oder vorsätzlich verletzt hat.

Allerdings ist es nicht ausreichend, dass der Schädiger Betriebsmittel genutzt hat, um das Schadensereignis herbeizuführen. Auch die bloße Anwesenheit im Betrieb und die damit einhergehende Möglichkeit zur Verursachung des Schadens sind nicht ausreichend. Wenn der Schaden nicht im Rahmen einer betriebsbezogenen Tätigkeit verursacht wurde oder ausschließlich aus persönlichen Interessen resultierte, wird er dem privaten Bereich des Arbeitnehmers zugeordnet.

Gemäß den Grundregeln der Beweislastverteilung trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast für die betriebliche Veranlassung der schadensursächlichen Tätigkeit.

 

7.3       Wie erfolgt die Quotelung?

Die Haftung des Arbeitnehmers hängt in hohem Maße von seinem Verschulden ab.

Für vorsätzlich verursachte Schäden haftet der Arbeitnehmer in vollem Umfang.

Grundsätzlich haftet der Arbeitnehmer auch bei grober Fahrlässigkeit vollständig. Es gibt jedoch Ausnahmen, die eine Haftungseinschränkung ermöglichen. So unter anderem dann, wenn das Einkommen des Arbeitsnehmers in einem groben Missverhältnis zum Schadensrisiko steht.

Der Arbeitnehmer haftet bei mittlerer Fahrlässigkeit anteilig für den Schaden. Die Höhe der Haftung hängt von einer Abwägung der Gesamtumstände ab. Zu berücksichtigen sind dabei beispielsweise der Grad des Verschuldens, die Gefahrgeneigtheit der Arbeit, die Schadenshöhe, die Versicherbarkeit des Risikos und die Höhe des Arbeitsentgelts sowie die persönlichen Umstände des Arbeitnehmers (zB Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter).

Bei leichtester Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer gar nicht.

 

7.4       Was gilt bei der Haftung wegen unerlaubter Handlung?

Auch bei Ansprüchen aus unerlaubter Handlung, zB bei Beschädigung von Gegenständen des Arbeitgebers oder Verkehrsunfällen, gilt die Haftungsbeschränkung. Bei betrieblich veranlasster unerlaubter Handlung greift die Haftungsbeschränkung immer ein, während bei vorsätzlich sittenwidriger Vermögensschädigung nach § 826 BGB keine Haftungsbegrenzung besteht.

 

7.5       Was ist bzgl. des Mitverschuldens zu beachten?

Trifft den Arbeitgeber ein Mitverschulden, kann dies gemäß § 254 BGB zu einer Minderung der Schadensersatzpflicht führen. Das Mitverschulden bezieht sich auf konkrete im Eigeninteresse des Arbeitgebers liegende Obliegenheiten und kann sich aus schuldhaftem Verhalten oder Unterlassen ergeben.

Handelt der Arbeitnehmer fahrlässig und der Arbeitgeber vorsätzlich, entfällt die Ersatzpflicht des nur fahrlässig handelnden Arbeitnehmers. Handelt der Arbeitnehmer jedoch vorsätzlich und trifft den Arbeitgeber ein Mitverschulden, tritt das Mitverschulden in der Regel hinter dem Vorwurf des vorsätzlichen Verhaltens des Arbeitnehmers zurück.

 

7.6       Was versteht man unter dem Begriff der Gefahrgeneigtheit?

Das Merkmal der gefahrgeneigten Arbeit wurde ursprünglich verwendet, um die Haftung der Arbeitnehmer bei besonders risikoreichen Arbeiten einzuschränken. Berücksichtigung findet die Gefahrgeneigtheit heute bei der Gesamtabwägung. Eine Arbeit gilt als gefahrgeneigt, wenn die Art der Tätigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führt, dass auch ein sorgfältiger Arbeitnehmer gelegentlich Fehler macht, die typisch für die Dienstleistung sind. Zu den gefahrgeneigten Tätigkeiten zählen unter anderem die des Kraftfahrers, Maschinenmeisters sowie Kranführers. Der Arbeitnehmer trägt für den Nachweis der Gefahrgeneigtheit die Beweislast.

 

7.7       Kann vertraglich etwas anderes geregelt werden?

Gemäß den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs ist es weder zulässig einzelvertraglich noch kollektivvertraglich, den Arbeitnehmer zu benachteiligen. Das Bundesarbeitsgericht urteilte, dass eine Klausel in den AGB eines Arbeitgebers, die besagt, dass der Arbeitnehmer für jeden von ihm verursachten Schaden bis zu 5.000,00 EUR Schadenersatz leisten muss, unwirksam ist.

 

7.8       Was ist bei der Mitwirkung Dritter zu beachten?

Ist ein Dritter überwiegend für einen Schaden des Arbeitgebers verantwortlich ist, kann der Arbeitgeber verpflichtet sein, diesen Dritten zuerst in Anspruch zu nehmen, bevor er Ansprüche gegenüber dem mitverantwortlichen Arbeitnehmer geltend macht. Dies gilt nur, wenn es dem Arbeitgeber möglich ist, den eigentlichen Schädiger erfolgreich in Anspruch zu nehmen. Wenn der Zweitschädiger dann Ausgleich vom Arbeitnehmer verlangt, kann der Arbeitnehmer Freistellung von der Haftung verlangen, solange seine Haftung nach den Grundsätzen der Arbeitnehmerhaftung eingeschränkt ist.