Haftungsausschluss bei Arbeitsunfällen (§§ 104 ff. SGB VII)

1.     Was regelt § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII?

Gemäß § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII ist die Haftung des Unternehmers für Personenschäden bei einem nicht vorsätzlich verursachten Arbeitsunfall gegenüber den Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder in anderer Weise eine die Versicherung begründende Beziehung zu ihren Unternehmen haben, sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften ausgeschlossen. Dieser Haftungsausschluss gilt gemäß den § 105 Abs. 2 SGB VII und § 106 SGB VII auch gegenüber anderen Unternehmern oder Besuchern.

 

2.     Wer ist Unternehmer im Sinne der Vorschrift?

Der Haftungsausschluss gemäß § 104 SGB VII für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten gilt zugunsten des Unternehmers, einschließlich juristischer Personen und deren gesetzliche Vertreter. Auch GmbH & Co. KGs profitieren gemäß § 105 SGB VII von dem Haftungsprivileg. Gesellschafter von OHGs und GbRs gelten gemäß § 104 SGB VII als Unternehmer, wenn sie am Gewinn und Verlust beteiligt sind. Handelt es sich um eine nicht rechtsfähige Einrichtung des Bundes, ist gemäß § 125 SGB VII die BRD der Unternehmer. Dies gilt entsprechend für andere Einrichtungen der öffentlichen Hand.

 

3.     Welche Personen sind von dem Ausschluss erfasst?

Die Haftung des Unternehmers ist zunächst bei Arbeitsunfällen von in dem Betrieb beschäftigten Versicherten ausgeschlossen, unabhängig vom Bestehen eines Arbeitsvertrags. Auch faktische Vertragsverhältnisse, familienrechtliche Mitarbeit oder verbotswidrige Beschäftigung von Kindern sind erfasst. Der Haftungsausschluss gilt hingegen nicht für selbstständige Unternehmer, die im Betrieb tätig sind, wie zB Handwerksmeister.

Die Haftungsbeschränkung gilt nicht nur im Verhältnis zwischen dem Unternehmer und seinen eigenen Beschäftigten, sondern auch gegenüber allen Versicherten, die für sein Unternehmen arbeiten. Dies umfasst auch Leiharbeitnehmer, die in seiner Betriebsstätte tätig sind sowie Bedienpersonal anderer Unternehmen, das auf dem Betriebsgrundstück arbeitet.

Gemäß § 105 Abs. 2 SGB VII besteht ein Haftungsausschluss auch gegenüber nicht versicherten Mitunternehmern. Der Ausschluss gilt erst recht bei versicherten Mitunternehmern.

Gemäß § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII werden die Haftungsbeschränkungen der §§ 104, 105 SGB VII erweitert, wenn Beschäftigte mehrerer Unternehmen vorübergehend betriebliche Tätigkeiten auf einer gemeinsamen Betriebsstätte verrichten. Dieser Haftungsausschluss gilt jedoch nur für Beschäftigte und für nicht versicherte Unternehmer. Voraussetzung ist eine bestehende Gefahrengemeinschaft, bei der die Beteiligten sich aufgrund ihrer Tätigkeiten typischerweise „in die Quere kommen“. Parallele Tätigkeiten oder bloße Arbeitsberührungen genügen nicht. Es muss eine gewisse Verbindung der Tätigkeiten als bewusstes Miteinander im Betriebsablauf gegeben sein, die aufeinander bezogen, miteinander verknüpft oder auf gegenseitige Ergänzung oder Unterstützung ausgerichtet ist.

Eine gemeinsame Betriebsstätte kann zB bei einer Arbeitsgemeinschaft von Gewerken auf Baustellen oder zwischen Bauarbeitern und Arbeitnehmern eines anderen Unternehmens für Sicherungsarbeiten bestehen, jedoch nicht, wenn verschiedene Unternehmen unabhängig voneinander auf einem Betriebsgelände arbeiten oder betriebsfremde LKW-Fahrer unabhängig voneinander Ware anliefern und sich dabei verletzen.

Der Haftungsausschluss gilt nur, wenn sowohl der Geschädigte als auch der Schädiger versichert sind. Betriebsangehörige haften nicht für Schäden gegenüber Personen auf der Unternehmensstätte, wenn eine Versicherung gemäß Satzung besteht. Dies gilt auch für Unternehmer, die auf einer gemeinsamen Betriebsstätte beschäftigt sind und dabei einen Versicherten eines anderen Unternehmens verletzen. Die Haftungsprivilegierung greift jedoch nicht, wenn ein nicht versicherter Unternehmer eines anderen Unternehmens durch einen versicherten Beschäftigten geschädigt wird.

 

4.     Welche Ansprüche sind von dem Ausschluss erfasst?

Von dem Haftungsausschluss erfasst sind bei Vorliegen eines Arbeitsunfalls die Schadensersatzansprüche wegen Personenschäden der kraft Gesetzes Versicherten, der aufgrund Satzungserstreckung der Berufsgenossenschaft Versicherten und der freiwillig Versicherten. Ebenfalls ausgeschlossen sind gemäß der §§ 63ff. SGB VII die Ansprüche der Angehörigen und Hinterbliebenen. Angehörige in diesem Sinne sind der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner, die minderjährigen oder noch in der Ausbildung befindlichen Kinder und die Eltern, sofern sie bei Ausbleiben des Versicherungsfalls gegen den Verstorbenen einen Anspruch auf Unterhalt wegen Unterhaltsbedürftigkeit hätten geltend machen können.

Auf sachlicher Ebene erfasst der Haftungsausschluss sämtliche Ersatzansprüche wegen Personenschadens aufgrund öffentlichen oder privaten Rechts. Erfasst sind sowohl immaterielle (Schmerzensgeld) als auch materielle Schäden (Vermögensschäden).