Anhörung und Widerspruch des Betriebsrats vor der Kündigung
1. Wozu dient die Anhörung des Betriebsrates?
Der Arbeitgeber hat nach § 102 BetrVG vor jeder Kündigung den Betriebsrat über die Gründe der Kündigung zu unterrichten. Damit soll dem Betriebsrat die Möglichkeit eingeräumt werden, auf den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers Einfluss nehmen und gegebenenfalls dazu beitragen zu können, dass die Kündigung unterbleibt. Es handelt sich somit um eine Maßnahme des präventiven Kündigungsschutzes.
Kann der Betriebsrat nicht auf den Entschluss des Arbeitgebers einwirken, so kann er dennoch mit einem Widerspruch die individuelle Rechtsstellung des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess verbessern (§ 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 Hs. 2 KSchG). Darüber hinaus kann er die Weiterbeschäftigung bis zum Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens unter den Voraussetzungen des § 102 Abs. 5 S. 1 BetrVG sichern.
Die Anhörung zielt hingegen nicht darauf ab, dem Betriebsrat die Möglichkeit zu geben, die Wirksamkeit der Kündigung zu überprüfen.
Eine Anhörung ist immer dann durchzuführen, wenn ein Betriebsrat besteht.
2. Wo und wann gilt die Unterrichtungspflicht?
Die Pflicht aus § 102 BetrVG zur Unterrichtung des Betriebsrates gilt in allen in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Betrieben. Dies gilt auch wenn sie zu ausländischen Unternehmen gehören oder die Kündigung ausländische Arbeitnehmer betrifft.
Keine Anwendung findet das BetrVG für im Ausland gelegene Betriebe deutscher Unternehmer. Etwas anderes gilt nur, wenn ein Arbeitnehmer ins Ausland entsandt wurde und dieser hinsichtlich Zeit, Dauer und Ort einem Weisungsrecht von Personen unterliegt, die in einem im Inland liegenden Betrieb tätig sind.
Die Unterrichtungspflicht besteht ebenfalls in Tendenzunternehmen sowie nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Ist das Insolvenzverfahren eröffnet, trifft den Insolvenzverwalter die Unterrichtungspflicht des § 102 BetrVG.
Eine Anhörung ist nicht erforderlich, wenn der Betriebsrat selbst die Kündigung eines Arbeitnehmers gemäß § 104 BetrVG fordert und der Arbeitgeber dieser Forderung nachkommt.
3. Was gilt bei der Kündigung von Arbeitnehmern?
Gemäß § 102 BetrVG hat die Unterrichtung vor der Kündigung des Arbeitnehmers zu erfolgen. Arbeitnehmer in diesem Sinne sind Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten (§ 5 Abs. 1 BetrVG). Auch erfasst sind somit Probe- und Aushilfsbeschäftigte. Bei der Kündigung eines Leiharbeiters ist der beim überlassenden Arbeitgeber gebildete Betriebsrat anzuhören.
Wird ein leitender Angestellter gekündigt, ist der Betriebsrat nicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG zu unterrichten, sondern nur nach § 105 BetrVG zu informieren. Wird die Informationspflicht verletzt, hat dies keine Auswirkung auf die Wirksamkeit der Kündigung.
§ 102 BetrVG gilt auch bei einer Kündigung innerhalb der sechsmonatigen Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG und in Kleinbetrieben bis zu zehn Arbeitnehmern, sofern dort ein Betriebsrat vorhanden ist.
4. Gilt die Unterrichtungspflicht für jede Kündigungsart?
Ja. Der Betriebsart ist unabhängig von der Kündigungsart zu unterrichten. Demnach gilt § 102 BetrVG für die ordentliche, außerordentliche und die Änderungskündigung. Auch im Eilfall bedarf es einer Anhörung.
Für den Fall, dass der Arbeitgeber außerordentlich, aber hilfsweise auch ordentlich kündigen will, muss er dies in der Betriebsratsanhörung anzeigen und den Betriebsrat zu beiden Kündigungen anhören. Zu beachten ist, dass bezüglich der unterschiedlichen Kündigungsarten gemäß § 102 Abs. 2 BetrVG unterschiedliche Fristen gelten. Ausnahmsweise reicht die Unterrichtung über die außerordentliche Kündigung, wenn der Betriebsrat dieser vorbehaltslos zugestimmt hat und sich auch nicht aus anderen Umständen ergibt, dass er im Falle der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung einer ordentlichen Kündigung widersprechen werde.
Bei einer Verdachtskündigung muss außerdem dargelegt werden, dass gerade wegen des Verdachts einer schwerwiegenden Pflichtverletzung gekündigt wird.
Ebenfalls erneut zu erfolgen hat die Anhörung bei einer Wiederholungskündigung, die im Regelfall dann erfolgt, wenn der Arbeitgeber wegen Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit der ersten Kündigung vorsorglich eine weitere Kündigung erklärt.
Eine Anhörung gemäß § 102 BetrVG hat auch zu erfolgen, wenn die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG noch nicht erfüllt ist. Zu beachten ist hier jedoch, dass die Kündigung selbst nicht sozial gerechtfertigt sein muss, weshalb auch an den Umfang der Unterrichtung geringere Anforderungen zu stellen sind.
Nicht zu beteiligen ist der Betriebsrat vor der Erteilung von Abmahnungen.
5. Welcher Betriebsrat ist zuständig?
Grundsätzlich ist der Betriebsrat des Betriebs anzuhören, dem der zu kündigende Arbeitnehmer angehört. Wurde ein Betriebsrat erstmalig gewählt, beginnt die Unterrichtungspflicht mit der konstituierenden Sitzung. Im Falle einer Neuwahl ist entweder der ausscheidende oder der neue Betriebsrat zu unterrichten. Ist die Wahl eines Betriebsrats nichtig, ist dieser nicht anzuhören.
Sollte der Betriebsrat für die Dauer der Fristen aus § 102 Abs. 2 BetrVG nicht beschlussfähig iSd § 33 Abs. 2 BetrVG sein, übernimmt der Restbetriebsrat in entsprechender Anwendung des § 22 BetrVG die Mitbestimmungsrechte aus § 102 Abs. 2 BetrVG.
Nicht zuständig ist grundsätzlich der Gesamtbetriebsrat. In Betracht kommt eine Zuständigkeit nur dann, wenn ein Arbeitsverhältnis mehreren Betrieben des Unternehmens zugeordnet werden kann.
6. Zu welchem Zeitpunkt ist der Betriebsrat anzuhören?
Die Anhörung muss vor der Verwirklichung der Kündigung des Arbeitgebers erfolgen, grundsätzlich also vor Absendung des Kündigungsschreibens. Der Arbeitgeber kann aber vor der Unterrichtung seinen Kündigungsentschluss gefasst haben. Ausschlaggebend ist, dass die Kündigung vor der Anhörung den Einflussbereich des Arbeitgebers noch nicht verlassen hat.
Eine Anhörung des Betriebsrates, die unter Vorbehalt weiterer Entwicklungen steht, also „auf Vorrat“ erfolgt, ist nicht zulässig. Sie widerspricht dem Gesetzeszweck, welcher darin besteht, dem Betriebsrat die Möglichkeit einzuräumen, auf den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers nachträglich einzuwirken.
Eine fehlende Anhörung kann auch nicht dadurch ersetzt werden, dass der Betriebsrat einer bereits ausgesprochenen Kündigung nachträglich zustimmt.
7. Was ist bei der Durchführung der Anhörung zu beachten?
Die Anhörung kann mündlich, telefonisch oder schriftlich erfolgen. Erfolgt die Anhörung schriftlich, gilt das Unterrichtungsverfahren mit Zugang (§ 130 Abs. 1 BGB) des Anhörungsschreibens beim Betriebsrat als eingeleitet. Bedient sich der Arbeitgeber eines Vertreters oder Boten, kann der Betriebsrat seine Einwände auch dem Arbeitgeber unmittelbar mitteilen.
Das Verfahren ist grundsätzlich während der Arbeitszeit einzuleiten. Es besteht keine Pflicht, dem Betriebsrat vorhandene Unterlagen auszuhändigen.
Erfolgt die Unterrichtung schriftlich, ist der Betriebsratsvorsitzende zur Entgegennahme berechtigt und verpflichtet, § 26 Abs. 2 S. 2 BetrVG. Ist dieser verhindert, ist dessen Stellvertreter berechtigt und verpflichtet, § 26 Abs. 3 BetrVG. Einzelne Betriebsratsmitglieder sind hingegen nur zur Entgegennahme berechtigt, sofern kein sonstiger Berechtigter vorhanden ist.
8. Was versteht man unter dem Begriff der „subjektiven Determinierung“?
Hierunter versteht man, dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat die aus seiner Sicht tragenden Kündigungsgründe mitzuteilen hat. Dieser Pflicht zur subjektiven Darstellung entspricht er nicht, sofern er dem Betriebsrat einen schon aus seiner eigenen Sicht unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt darstellt. Eine unbewusste Fehlinformation führt hingegen nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Entscheidend ist, ob der Arbeitgeber gutgläubig ist und trotz falscher Unterrichtung dem Zweck der Anhörung entsprochen hat. Dies ist grundsätzlich dann gegeben, wenn sich der Inhalt der Unterrichtung mit dem tatsächlichen Kenntnisstand des Arbeitgebers deckt.
Darüber hinaus darf der Arbeitgeber ihm bekannte Umstände, die sich zugunsten des Arbeitnehmers auswirken können, nicht verschweigen weil sie für seinen eigenen Entschluss nicht von Relevanz waren.
Die Unterrichtung durch den Arbeitgeber muss grundsätzlich so genau erfolgen, dass der Betriebsrat ohne eigene Nachforschungen in der Lage ist, die Kündigung auf ihre Stichhaltigkeit zu prüfen. Mithin muss er den Betriebsrat auch über den Arbeitnehmer möglicherweise entlastende Tatsachen aufklären. Eine pauschale, schlagwortartige Schilderung des Sachverhalts ist regelmäßig nicht ausreichend, um der Unterrichtungspflicht des § 102 BetrVG zu entsprechen. Unzureichende Erklärungen können jedoch vor Ausspruch der Kündigung ergänzt werden.
Für den Fall, dass der Betriebsrat die Kündigungsgründe beispielsweise aufgrund einer Vorbefassung bereits kennt, reicht ein pauschaler Verweis auf diese aus.
9. Welche Angaben muss eine Unterrichtung im Einzelnen enthalten?
9.1 Sozialdaten:
Dem Betriebsrat muss mitgeteilt werden, welcher Arbeitnehmer gekündigt wird. Zu den erforderlichen Sozialdaten gehören dabei das Alter, die Betriebszugehörigkeit sowie etwaige Unterhaltsverpflichtungen des zu kündigenden Arbeitnehmers, soweit diese dem Arbeitgeber bekannt sind. Bei einer verhaltensbedingten Kündigung können die Anforderungen geringer sein, wenn es dem Arbeitgeber wegen der Schwere der Vorwürfe nicht auf die genauen Daten ankommt, der Betriebsrat die ungefähren Daten kennt und er daher die Kündigungsabsicht hinreichend beurteilen kann.
9.2 Kündigungsfrist:
Angaben über die Kündigungsfrist haben dann nicht zwingend zu erfolgen, wenn der Betriebsrat aufgrund tatsächlicher Umstände, den Zeitpunkt, zu dem die Kündigung wirksam werden soll, selbst berechnen kann. Die Nennung eines konkreten Termins ist ebenfalls nicht notwendig, da ein solcher oft bei Anhörung noch nicht bestimmbar ist.
Eine fehlerhafte Fristberechnung macht die Kündigung nur unwirksam, wenn sie bewusst erfolgt.
9.3 Schwerbehinderung und Elternzeit
Der Antrag auf Zustimmung zur Kündigung eines schwerbehinderten Menschen beim Integrationsamt kann grundsätzlich vor, während oder erst nach der Anhörung gestellt werden. Dies gilt auch für die Zulässigkeitserklärung nach § 18 Abs. 1 S. 4 BEEG bei der Kündigung eines in Elternzeit befindlichen Arbeitnehmers. Hat die Anhörung des Betriebsrates vor Zulässigkeitserklärung erfolgt, ist eine erneute Anhörung bei unverändertem Sachverhalt nicht erforderlich. Dies gilt auch dann, wenn die Zustimmung des Integrationsamtes erst nach einem jahrelangen Verfahren erteilt wird.
9.4 Krankheitsbedingte Kündigung
Erfolgt die Kündigung aufgrund einer Krankheit, sind sowohl die bisherigen Fehlzeiten und die Art der Erkrankung mitzuteilen, als auch die wirtschaftlichen Belastungen und Beeinträchtigungen des Betriebs.
9.5 Verhaltensbedingte Kündigung
Für eine ordnungsgemäße Anhörung muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat sowohl über eine erteilte Abmahnung, als auch über eine bereits vorliegende Gegendarstellung des Arbeitnehmers informieren.
9.6 Verdachtskündigung
Erforderlich für eine ordnungsgemäße Unterrichtung über die Kündigungsgründe ist hier die Mitteilung, das Arbeitsverhältnis solle gerade deshalb gekündigt werden, weil der Arbeitnehmer einer schwerwiegenden Pflichtverletzung dringend verdächtig sei.
9.7 Betriebsbedingte Kündigung
In diesem Fall hat der Arbeitgeber die von ihm getroffene unternehmerische Entscheidung und deren Auswirkungen auf die Beschäftigungsmöglichkeiten des zu kündigenden Arbeitnehmers darzulegen. Regelmäßig ausreichend, ist der Hinweis auf die fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit. Höhere Anforderungen bestehen nur, sofern der Betriebsrat den Arbeitgeber vor Einleitung des Anhörungsverfahrens auf bestimmte Beschäftigungsmöglichkeiten hingewiesen hat.
9.8 Sozialauswahl
Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat über die Gründe informieren, die ihn nach § 1 Abs. 3 KSchG zu seiner sozialen Auswahl geleitet haben. Gegebenenfalls kann auch der Hinweis ausreichen, dass eine soziale Auswahl nicht in Betracht kam, sofern dies aus Sicht des Arbeitgebers zutreffend ist.
9.9 Außerordentliche Kündigung
Der Arbeitgeber muss in diesem Fall dem Betriebsrat den Kündigungssachverhalt und den Zeitpunkt mitteilen, zu dem sich dieser ereignet hat.
9.10 Änderungskündigung
Die Unterrichtung muss in diesem Fall sowohl die Art der Kündigung, als auch die Gründe für die Änderungskündigung und das Änderungsangebot enthalten. Keine ordnungsgemäße Anhörung liegt vor, wenn für den Betriebsrat offenbleibt, ob die Ablehnung des Änderungsangebots die Beendigungserklärung zur Folge haben soll und sodann tatsächlich die Beendigung erklärt wird.
10. Welche Folgen haben Fehler im Anhörungsverfahren?
Bezüglich der Rechtsfolgen von Fehlern im Anhörungsverfahren ist nach dem jeweiligen Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich zu differenzieren. Eine Verletzung des § 102 Abs. 1 BetrVG liegt nur vor, wenn dem Arbeitgeber bei den ihm obliegenden Pflichten des Anhörungsverfahrens ein Fehler unterläuft. Ein solcher Fehler hat gemäß § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge.
Entstehen die Mängel im Verantwortungsbereich des Betriebsrates selbst, ist die Kündigung grundsätzlich nicht unwirksam, da der Arbeitgeber auf die Beschlussfassung des Betriebsrates regelmäßig keine Einflussmöglichkeit hat.
In den Verantwortungsbereich des Arbeitgebers fallen die Einleitung des Anhörungsverfahrens und die ordnungsgemäße Mitteilung der Kündigungsgründe.
In den Verantwortungsbereich des Betriebsrats fallen unter anderem die fehlerhafte Besetzung infolge nicht ordnungsgemäßer Ladung zur Betriebsratssitzung (§ 29 Abs. 2 BetrVG), die Entscheidung im Umlaufverfahren anstatt in einer Betriebsratssitzung oder die Anwesenheit des Arbeitgebers bei der Abstimmung.
11. Welche Frist gilt für die Stellungnahme des Betriebsrates?
Der Betriebsrat hat dem Arbeitgeber gemäß § 102 Abs. 2 BetrVG bei einer ordentlichen Kündigung seine Bedenken innerhalb einer Woche, bei einer außerordentlichen Kündigung innerhalb von drei Tagen schriftlich unter Angabe von Gründen mitzuteilen. Es gelten die §§ 186 ff. BGB für die Berechnung der Fristen. Erfolgt der Zugang des Anhörungsschreibens beim Betriebsrat beispielsweise am 1.3., endet die Wochenfrist am 8.3. um 24.00 Uhr.
Der Betriebsrat hat das Ende der Frist nicht zwangsläufig abzuwarten. Er kann auch vor Ablauf der Frist abschließend Stellung nehmen. Die Niederschrift und Zustellung der Stellungnahme erfolgt durch den Betriebsratsvorsitzenden.
Für den Fall, dass der Arbeitgeber eine außerordentliche und hilfsweise eine ordentliche Kündigung aussprechen will, muss er für den Ausspruch der außerordentlichen Kündigung nicht die Wochenfrist abwarten. Erfolgt keine Stellungnahme des Betriebsrates, kann die ordentliche Kündigung jedoch erst nach Ablauf der Wochenfrist erklärt werden.
Ist eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist gewollt, ist der Betriebsrat nach den für die ordentliche Kündigungen geltenden Regelungen zu unterrichten. Der Arbeitgeber hat bei der Anhörung deutlich zu machen, dass er eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist erklären möchte.
12. Was gilt, wenn der Betriebsrat nicht zustimmt?
Lässt der Betriebsrat die Frist des § 102 Abs. 2 S. 1 BetrVG ohne Stellung zu nehmen verstreichen, gilt nach § 102 Abs. 2 S. 2 BetrVG bei einer ordentlichen Kündigung seine Zustimmung als erteilt. Dies gilt entsprechend, wenn der Betriebsrat erklärt, er sehe von einer Stellungnahme ab. Die Zustimmungsfiktion gilt nicht bei außerordentlichen Kündigungen.
13. Kann der Arbeitgeber vor Ablauf der Frist kündigen?
Eine Kündigung vor Ablauf der Frist des § 102 Abs. 2 BetrVG ist möglich, wenn der Betriebsrat eine abschließende Stellungnahme zur angestrebten Kündigung abgegeben hat. Aus der Stellungnahme muss eindeutig hervorgehen, dass sich der Betriebsrat bis zum Ablauf der Anhörungsfrist nicht noch einmal äußern wird. Erforderlich hierfür sind besondere Anhaltspunkte, wie beispielsweise die Mitteilung des Betriebsrates, er stimme der Kündigung ausdrücklich und vorbehaltslos zu. Nicht ausreichend ist hingegen, dass der Betriebsratsvorsitzende dem Arbeitgeber das Ergebnis der Beschlussfassung mitteilt, da hierdurch eine erneute Beschlussfassung nicht ausgeschlossen ist.
14. Inwiefern kann der Betriebsrat einer Kündigung widersprechen?
Grundsätzlich kann der Betriebsrat jegliche Bedenken hinsichtlich der Kündigung äußern, ohne an die Widerspruchsgründe des § 102 Abs. 3 BetrVG gebunden zu sein. Ein tatsächliches Widerspruchsrecht mit rechtlichen Folgen steht ihm jedoch nur aus den in § 102 Abs. 3 BetrVG aufgezählten Gründen zu. Ein hierauf basierender Widerspruch kann einen Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102 Abs. 5 BetrVG begründen.
Der Widerspruch ist binnen der Fristen des § 102 Abs. 2 BetrVG schriftlich zu begründen. Es genügt die Textform iSd § 126b BGB, also auch ein Telefax oder eine E-Mail. Die Begründung muss die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe darlegen. Nicht ausreichend ist die bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlauts.
15. Welche Widerspruchsgründe gibt es?
Der Betriebsrat kann der ordentlichen Kündigung gemäß § 102 Abs. 3 BetrVG innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 widersprechen, wenn
– Der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat,
– Die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 BetrVG verstößt,
– Der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmers weiterbeschäftigt werden kann,
– Die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder
– Eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat.
16. Welche Rechtsfolgen hat ein Widerspruch?
Liegt ein form- und fristgemäßer Widerspruch nach § 102 Abs. 3 BetrVG vor, hat dieser zwei Rechtsfolgen. Einerseits kann der Arbeitnehmer die Kündigungsschutzklage hierauf stützen, andererseits kann er den Weiterbeschäftigungsanspruch aus § 102 Abs. 5 BetrVG geltend machen.