Außerordentliche Kündigung

1.       Was ist eine außerordentliche Kündigung?

Die außerordentliche Kündigung stellt eine besondere Art der Kündigung des Arbeitsvertrages dar. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass der Kündigende die vorgeschriebene Kündigungsfrist nicht oder nicht vollständig einhält oder ein eigentlich nicht ordentlich kündbares Arbeitsverhältnis aufgelöst werden soll.

Eine außerordentliche Kündigung ist oft, aber nicht immer, als fristlose Kündigung einzuordnen.

 

2.       Was ist bei einer außerordentlichen Kündigung grundsätzlich zu beachten?

Gesetzlich geregelt ist die außerordentliche Kündigung in § 626 BGB. Gemäß Abs. 1 kann das Dienstverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen Vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

Zu beachten ist dabei zunächst, dass die außerordentliche Kündigung nach dem Wortlaut des § 626 BGB für alle Dienstverhältnisse gilt. Somit sind auch die Kündigungen von GmbH-Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern erfasst.

Die außerordentliche Kündigung kann das Arbeitsverhältnis fristlos auflösen. Eine solche fristlose Kündigung ist jedoch nicht zwingend. Die Kündigung kann grundsätzlich auch unter Gewährung einer Auslauffrist ausgesprochen werden. Neben der außerordentlichen Beendigungskündigung besteht auch die Möglichkeit der außerordentlichen Änderungskündigung.

Ist eine außerordentliche Kündigung unwirksam, kann sie nach § 140 BGB regelmäßig in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden. Umgekehrt ist die Umdeutung einer ordentlichen Kündigung in eine außerordentliche Kündigung jedoch nicht möglich.

 

3.       Wann liegt ein wichtiger Grund vor?

Die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung ist davon abhängig, ob sie durch das Vorliegen eines wichtigen Grundes gerechtfertigt ist. Ob die Voraussetzungen vorliegen, erfolgt anhand einer zweistufigen Prüfung. Zuerst müssen Tatsachen gegeben sein, die grundsätzlich geeignet sind, einen wichtigen Grund zu bilden. Dann muss in einem zweiten Schritt festgestellt werden, ob eine Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist hinnehmbar ist.

Der wichtige Grund kann sowohl in einer erheblichen Verletzung der vertraglichen Hauptleistungspflichten als auch in einer Verletzung von Nebenpflichten liegen. Eine bestimmte Höhe eines durch die Pflichtverletzung entstandenen Schadens auf Arbeitgeberseite ist nicht erforderlich. Entscheidend ist lediglich der mit der Pflichtverletzung einhergehende Vertrauensbruch. Nichts anderes gilt, wenn die Pflichtverletzung Gegenstände von geringem Wert betrifft oder zu gar keinem Schaden führt.

Liegt ein grundsätzlich geeigneter wichtiger Grund vor, hat eine umfassende, auf den Einzelfall bezogene Interessenabwägung zu erfolgen. Dabei ist unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu ermitteln, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses trotz des Vertrauensbruchs zumutbar ist. In die Abwägung einzubeziehen sind das Gewicht und die Auswirkungen der Pflichtverletzung, die mögliche Wiederholungsgefahr, die Dauer des Arbeitsverhältnisses und der Grad des Verschuldens aufseiten des Arbeitnehmers. Die außerordentliche Kündigung ist nur dann verhältnismäßig, wenn es keine angemessene Möglichkeit gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil alle milderen Reaktionen unzumutbar sind. Als weniger intensive Reaktionsmöglichkeiten kommen etwa die Abmahnung, Versetzung oder ordentliche Kündigung in Betracht.

 

4.       Gilt für die außerordentliche Kündigung auch eine Frist?

Ja. Gemäß § 626 Abs. 2 BGB kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Wochen erklärt werden. Ausschlaggebend ist, dass die Kündigung innerhalb dieser Frist zugeht. Läuft die Frist ab, wird unwiderleglich vermutet, dass dem Kündigungsberechtigten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumindest bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zugemutet werden kann. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB kann weder einzel- noch tarifvertraglich verlängert werden.

 

4.1      Wann beginnt die Frist?

Gemäß § 626 Abs. 2 S. 2 BGB beginnt die Frist in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Von den maßgebenden Tatsachen umfasst sind sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände. Eine bloße Vermutung setzt die Frist nicht in Gang. Die Frist fängt ebenfalls nicht an zu laufen, sofern der Kündigungsberechtigte nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen muss. Ob die Ermittlungen hinreichend zügig betrieben wurden ist fallbezogen festzustellen. Mit Abschluss der Ermittlungen und Erlangung hinreichender Kenntnisse über den Kündigungssachverhalt fängt die Frist an zu laufen.

 

4.2      Wie wird die Frist berechnet?

Die Fristberechnung erfolgt nach den §§ 186 ff. BGB. Gemäß § 187 Abs. 1 BGB wird der Tag der Kenntniserlangung nicht mitgerechnet. Das Fristende fällt auf den Tag der zweiten Woche, der durch seine Benennung dem Tag entspricht, in den die Kenntniserlangung fällt. Etwas anderes gilt nur, wenn es sich bei diesem Tag um einen Sonnabend, Sonntag oder Feiertag handelt. Dann endet sie gemäß § 193 BGB mit Ablauf des nächsten Werktags.

Wichtig ist, dass die Anhörung des Betriebsrates gemäß § 102 BetrVG innerhalb der Ausschlussfrist erfolgen muss. Darüber hinaus gilt die Ausschlussfrist auch bei der Kündigung von Betriebsratsmitgliedern und anderen nach § 15 KSchG besonders geschützten Personen. Ähnliches gilt bei Arbeitnehmern mit Sonderkündigungsschutz. So muss beispielsweise die Zustimmung des Integrationsrates nach § 174 SGB XI bei einer außerordentlichen Kündigung schwerbehinderter Menschen während der Ausschlussfrist beantragt werden.

 

4.3      Muss der zu kündigende Arbeitnehmer angehört werden?

Die Anhörung des zu kündigenden Arbeitnehmers ist mit Ausnahme von der Verdachtskündigung keine Wirksamkeitsvoraussetzung der außerordentlichen Kündigung.

Räumt der kündigungsberechtigte Arbeitgeber dem Arbeitnehmer jedoch eine Gelegenheit zur Stellungnahme ein, wird hierdurch der Lauf der Frist des § 626 Abs. 2 BGB gehemmt, dh die Frist läuft nicht weiter. Grundsätzlich beläuft sich die Frist zur Anhörung auf eine Woche. Sollte diese Frist ohne erheblichen Grund überschritten werden, beginnt die Zweiwochenfrist mit dem Ende der einwöchigen Regelfrist.

Die Anforderungen an eine fristhemmende Anhörung sind einzelfallabhängig. Zwingend ist aber, dass sie sich immer auf einen konkreten Sachverhalt bezieht und der Anzuhörende die Möglichkeit erhält, bestimmte Tatsachen zu bestreiten und andere Tatsachen aufzuzeigen, die gegen eine Kündigung sprechen. Hat der Kündigungsberechtigte nach der Anhörung ausreichende Kenntnis vom Kündigungssachverhalt, beginnt der Lauf der Ausschlussfrist. Erlangt der Kündigungsberechtigte durch die Anhörung Kenntnis von weiteren ermittlungsbedürftigen Tatsachen, kann eine zweite Anhörung gerechtfertigt sein, die den Beginn der Ausschlussfrist ebenfalls hemmt.

 

4.4      Welche Besonderheiten gelten bei Dauerstörtatbeständen?

Ein Dauerstörtatbestand ist dann gegeben, wenn sich der Kündigungssachverhalt und seine betrieblichen Auswirkungen immer wieder neu verwirklichen. Zur Wahrung der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB genügt es in einem solchen Fall, dass die Störung auch in den letzten zwei Wochen vor der Kündigungserklärung angehalten hat. Ein solcher Dauerstörtatbestand kann beispielsweise bei lang andauernder Arbeitsunfähigkeit, aber auch bei immer wieder kehrenden Kurzerkrankungen vorliegen, sofern die Erkrankungen den Schluss auf eine dauerhafte Krankheitsanfälligkeit zulassen.

Im Falle einer Pflichtverletzung zB wegen eigenmächtiger Urlaubnahme, beginnt die Frist erst mit Ende der unentschuldigten Fehlzeit.

 

5.       Wer ist zur außerordentlichen Kündigung berechtigt?

Gemäß § 626 Abs. 1 S. 1 BGB ist jeder Vertragsteil zur außerordentlichen Kündigung berechtigt. Demnach also Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Auf Arbeitgeberseite sind sowohl die Mitglieder der Organe von juristischen Personen und Körperschaften als auch die Mitarbeiter, denen der Arbeitgeber das Recht zur außerordentlichen Kündigung übertragen hat kündigungsberechtigt. Zu beachten ist, dass die Kenntniserlangung der kündigungsberechtigten Person auch die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB in Gang setzt. Die Kenntnis anderer Personen ist hingegen grundsätzlich unbeachtlich.

Im Fall der Gesamtvertretung reicht für den Beginn der Frist bereits die Kenntnis eines Gesamtvertreters. Ähnliches gilt bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Hier beginnt die Frist, wenn einer der Gesellschafter den Kündigungsgrund kennt.

Eine Besonderheit gilt dann, wenn eine Kündigung nach dem Gesellschaftsvertrag einer GmbH von der Gesellschafterversammlung einen Beschluss erfordert. In diesem Fall kommt es für den Beginn der Ausschlussfrist auf den Zeitpunkt an, in dem die ordnungsgemäß einberufene Gesellschafterversammlung Kenntnis von den Kündigungsgründen erlangt. Zu beachten ist, dass die Frist erst mit Zusammentritt der Versammlung ausgelöst wird. Aus diesem Grund muss die Gesellschafterversammlung alsbald, ohne unangemessene Verzögerungen, zusammengerufen werden.

 

6.       Was ist bei einer Verdachtskündigung zu beachten?

Liegt der dringende Verdacht einer schweren arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung oder einer strafbaren Handlung vor, kann dies ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung sein, sofern der Verdacht auf objektiven Tatsachen beruht, die geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören.

Da diese Kündigungsart an ein bloßes Verdachtsmoment anknüpft, unterliegt sie strengen Voraussetzungen. So ist unter anderem eine Anhörung des Arbeitnehmers zwingend notwendig. Außerdem ist erforderlich, dass bei einem außerdienstlichen Verdacht dieser trotzdem einen Bezug zum Arbeitsverhältnis und dessen Vertrauensverhältnis aufweist. Ebenfalls erforderlich ist, dass es sich um einen dringenden Verdacht handelt, also eine große Wahrscheinlichkeit für die Pflichtwidrigkeit des Verhaltens besteht. Eine Verdachtskündigung ist darüber hinaus nur wirksam, wenn eine Abwägung aller für und gegen die sofortige Beendigung sprechenden Argumente ergibt, dass eine Weiterbeschäftigung nicht zumutbar ist.

Bezüglich der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist zu beachten, dass bei der Verdachtskündigung grundsätzlich kein Dauerstörtatbestand vorliegt. Demnach beginnt die Frist sobald der Kündigende eine so genaue Kenntnis von dem Sachverhalt erlangt, dass er sich ein Urteil über den Verdacht und seine Auswirkungen bilden kann. Zu beachten ist, dass im Laufe des Aufklärungsprozesses nicht nur ein, sondern mehrere Zeitpunkte in Betracht kommen können, in denen der Verdacht dringend genug ist, um eine Verdachtskündigung zu begründen. Die Verdachtskündigung ist verfristet, wenn der Kündigende ohne sachliche Rechtfertigung untätig bleibt und der Gekündigte daraus schließen konnte, dass der Berechtigte von seinem Kündigungsrecht keinen Gebrauch machen werde. Das Abwarten einer strafrechtlichen Verurteilung führt regelmäßig nicht zur Versäumung der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB. Ausreichend ist es, die Kündigung binnen zwei Wochen seit Kenntniserlangung von der Verurteilung zu erklären.

 

7.       In welchem Verhältnis steht die außerordentliche Kündigung zur Anfechtung?

Die Möglichkeit der Anfechtung des Arbeitsverhältnisses schließt eine außerordentliche Kündigung nicht aus. Beide Alternativen bestehen nebeneinander. Dem Anfechtungs- bzw. Kündigungsberechtigten steht dann ein Wahlrecht zu.

Der Unterschied beider Möglichkeiten besteht einerseits in den Voraussetzungen, andererseits in den Rechtsfolgen. So setzt die Anfechtung einen Grund voraus, der bereits bei Abschluss des Arbeitsvertrages vorgelegen haben muss. Der Grund zur außerordentlichen Kündigung kann hingegen auch erst nach Begründung des Arbeitsverhältnisses entstehen. Ein weiterer Unterschied ergibt sich daraus, dass eine wirksame Anfechtung formlos möglich ist, während bei der außerordentlichen Kündigung die Formvorschrift des § 623 BGB zu beachten ist. Außerdem hat die Anfechtung die Rechtsfolge, dass das Arbeitsverhältnis als von Anfang an (ex tunc) als nicht geschlossen gilt, wohingegen die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis mit Wirkung für die Zukunft auflöst.

 

8.       Hat der Arbeitnehmer trotz Kündigung einen Anspruch auf Vergütung?

628 BGB enthält eine Regelung über Ansprüche auf Teilvergütung und Schadensersatz bei fristloser Kündigung. Demnach kann der Verpflichtete einen seinen bisherigen Leistungen entsprechenden Teil der Vergütung verlangen, wenn das Dienstverhältnis nach dessen Beginn auf Grund des § 626 BGB oder § 627 BGB gekündigt wird. Dies gilt auch für den Fall, dass die außerordentliche Kündigung durch den Arbeitnehmer ungültig ist, der Arbeitgeber sie aber akzeptiert.

Ausgeschlossen ist der Teilvergütungsanspruch gemäß § 628 Abs. 1 S. 2 BGB, wenn der Arbeitnehmer kündigt, ohne durch vertragswidriges Verhalten des anderen Teils dazu veranlasst zu sein, oder wenn er durch sein vertragswidriges Verhalten die Kündigung des anderen Teils verursacht und die bisherigen Leistungen infolge der Kündigung für den anderen Teil kein Interesse haben.  Zu beachten ist, dass diese Ausnahme regelmäßig auf andere als arbeitsrechtliche Dienstverhältnisse Anwendung findet. Ein Ausschluss im Bereich des Arbeitsrechts ist hingegen selten.

Der Anspruch auf Teilvergütung kann arbeitsvertraglich ausgeschlossen werden.