Betriebsrat – Betriebsänderungen

1.    Was ist bei Betriebsänderungen grundsätzlich zu beachten?

Bei Betriebsänderungen sind grundlegend zwei Dinge zu unterscheiden. In Bezug auf die unternehmerische Entscheidung hinsichtlich der Betriebsänderung hat der Betriebsrat lediglich Unterrichtungs- und Beratungsrechte. Kommt es zwischen den Betriebsparteien zu keinem Interessenausgleich muss die Einigungsstelle angerufen werden. Ihr Spruch ersetzt jedoch nicht die Einigung. Hiervon abzugrenzen sind die sozialen Auswirkungen der Betriebsänderung. Diesbezüglich steht dem Betriebsrat ein echtes Mitbestimmungsrecht zu. Kommt es zu keiner Einigung der Betriebsparteien über einen Sozialplan, entscheidet hierüber die Einigungsstelle verbindlich.

 

2.    Wann ist der Betriebsrat zu beteiligen?

Die Beteiligung des Betriebsrates bei Betriebsänderungen ist in den §§ 111 ff. BetrVG geregelt. Nach § 111 Abs. 1 BetrVG hat der Unternehmer den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können, rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und die geplanten Betriebsänderungen mit dem Betriebsrat zu beraten, sofern im Unternehmer mehr als zwanzig wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt sind.

Der maßgebende Zeitpunkt für die Bestimmung der Betriebsgröße ist derjenige, zu dem die Planung für die Durchführung der Änderung abgeschlossen ist und der verbindliche Beschluss hierüber getroffen wurde. Die Bestimmung der Größe bedarf regelmäßig einem Rückblick sowie einer Prognose. Etwas anderes gilt nur bei einer Betriebsstillegung. Hier ist nur ein Rückblick möglich. Lediglich zeitweilig beschäftigte Arbeitnehmer werden berücksichtigt, wenn sie normalerweise während des größten Teils des Jahres im Betrieb tätig werden. Zu beachten ist ferner, dass bei der Bestimmung leitende Angestellte und jugendliche Arbeitnehmer nicht berücksichtigt werden.

Erforderlich ist darüber hinaus das Bestehen eines Betriebsrates. Besteht ein solcher nicht, entfällt grundsätzlich das Beteiligungsverfahren nach § 111 BetrVG.  Ein während der Durchführung der Betriebsänderung gegründeter Betriebsrat ist ebenfalls nicht zu beteiligen. Besonderheiten für sog. Tendenzbetriebe ergeben sich aus § 118 BetrVG.

Die Bestimmungen der §§ 111-113 BetrVG gelten auch während eines Insolvenzverfahrens.

 

3.    Was versteht man unter einer Betriebsänderung?

Unter einer Betriebsänderung versteht man grundsätzlich jede tatsächliche Änderung der betrieblichen Organisation, der Struktur, des Tätigkeitsbereichs, der Arbeitsweise, der Fertigung oder des Standorts. Für das Vorliegen wesentlicher Nachteile reicht schon die Möglichkeit des Eintritts der Nachteile. Diese können beispielsweise in der Minderung des Arbeitsentgeltes liegen.

Keine Betriebsänderung ist grundsätzlich der Betriebsübergang nach § 613a BGB, da es hier lediglich zu einem Arbeitgeberwechsel kommt.

§ 111 S. 3 BetrVG enthält darüber hinaus eine Aufzählung von Betriebsänderungen. Ist einer der aufgezählten Tatbestände erfüllt, ist nicht extra zu prüfen, ob hieraus Nachteile für die Belegschaft entstehen.

 

3.1      Betriebsstillegung und -einschränkung (Nr. 1)

Als Betriebsänderung gilt nach § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG die Einschränkung und Stilllegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen. Eine Betriebsstillegung liegt vor, wenn der Betriebszweck unter gleichzeitiger Auflösung der Betriebsorganisation für unbestimmte, nicht nur vorübergehende Zeit aufgegeben wird. Erforderlich ist der endgültige Entschluss einen Betrieb stillzulegen. Als Betriebsteil im Sinne der Vorschrift ist eine organisatorisch abgegrenzte Organisation ausreichend. Es muss sich nicht um eine Abteilung handeln. Erforderlich ist allerdings, dass der Betriebsteil für den Betrieb wesentlich ist. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn in ihm ein nicht unerheblicher Teil der Gesamtbelegschaft beschäftigt wird.

Unter der Betriebs- bzw. Betriebsteileinschränkung versteht man eine Herabsetzung der Leistungsfähigkeit des Betriebes, die sowohl durch eine Einschränkung der Zahl der Arbeitsplätze als auch durch eine Verringerung der sachlichen Betriebsmittel bedingt sein kann.

Ebenfalls möglich ist eine Betriebsänderung in Form eines bloßen Personalabbaus. Erforderlich hierfür ist, dass ein erheblicher Teil der Belegschaft betroffen ist.

 

3.2      Verlegung des ganzen Betriebs oder Betriebsteilen (Nr. 2)

Hierunter versteht man jede nicht nur geringfügige Veränderung der örtlichen Lage des Betriebs oder wesentlicher Betriebsteile. Entscheidend ist, ob die Ortsveränderung mit nicht ganz unerheblichen Erschwernissen für die Arbeitnehmerschaft verbunden ist. Zu beachten ist, dass die Regelung auf ortsgebundene Betriebe abstellt. Aus diesem Grund ist beispielweise der Wechsel von Baustellen nicht erfasst.

 

3.3      Zusammenschluss und Spaltung von Betrieben (Nr. 3)

Der Zusammenschluss mit anderen Betrieben setzt voraus, dass zwei oder mehr Betriebe zu einer neuen Einheit zusammengeschlossen werden oder der eine Betrieb einen anderen aufnimmt. Zu berücksichtigen ist, dass bei einem Zusammenschluss mehrerer Unternehmen nicht zwangsläufig ein Zusammenschluss von Betrieben vorliegt.

Eine Spaltung von Betrieben kann entweder durch eine Aufspaltung des Betriebs oder durch die Abspaltung von Betriebsteilen erfolgen. Für die Aufspaltung charakteristisch ist, dass der Ursprungsbetrieb aufgelöst wird. Im Gegensatz dazu bleibt der Ursprungsbetrieb bei der Abspaltung bestehen.

 

3.4      Grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen (Nr. 4)

Die Änderung einer Betriebsorganisation ist anzunehmen, wenn der Betriebsaufbau, insbesondere die Zuständigkeiten, umgewandelt wird. Der Begriff des „Betriebszwecks“ bezieht sich auf den arbeitstechnischen nicht den wirtschaftlichen Zweck. Die Änderung des Betriebszwecks kann auch in der Hinzufügung eines weiteren Zwecks liegen.  Änderungen der Betriebsanlagen liegen vor, wenn beispielsweise die technische Ausrüstung geändert wird. Nicht erfasst ist allerdings der Austausch abgenutzter Ausrüstung gegen neuwertige. In allen genannten Fällen ist es erforderlich, dass es sich um grundlegende Änderungen handelt. Das ist der Fall, wenn sie sich erheblich auf den Betriebsablauf auswirkt. Hierfür maßgeblich ist der Grad der Veränderung.

 

3.5      Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren

Unter einer Arbeitsmethode versteht man die jeweilige Art, eine Arbeit systematisch abzuwickeln. Hiervon erfasst ist beispielsweise die Strukturierung des Arbeitsablaufs der einzelnen Arbeitnehmer. Der Begriff „Fertigungsverfahren“ bezieht sich auf das technische Verfahren bei der Verfolgung des arbeitstechnischen Zwecks. Ob die Veränderungen grundlegend sind, bestimmt sich anhand einer qualitativen Bewertung.

 

4.    Was ist hinsichtlich des Sozialplans zu beachten?

Dem Betriebsrat steht gemäß § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht für die Aufstellung eines Sozialplans zum Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile für die Arbeitnehmer infolge einer Betriebsänderung zu. Erforderlich ist eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG sowie das Entstehen ausgleichsfähiger Nachteile. Zu beachten ist, dass bereits die Möglichkeit des Entstehens solcher Nachteile genügt, weshalb der Arbeitgeber den Abschluss eines Sozialplans nicht deshalb verweigern kann, weil dem Arbeitgeber noch keine Nachteile entstanden seien. Nachteile können zum Beispiel der Eintritt von Arbeitslosigkeit nach einer Kündigung oder die schlechtere Bezahlung sein.

Der Sozialplan dient dem Ausgleich und der Überbrückung zukunftsbezogener Nachteile. Er soll den Arbeitnehmer aber nicht für den Verlust seines Arbeitsplatzes entschädigen oder ihm zusätzliche Entgelte gewähren.

Bei der Gestaltung des Sozialplans sind die Betriebsparteien frei in ihrer Entscheidung, welche Nachteile in welchem Umfang ausgeglichen werden sollen. Ein Ausgleich aller erdenkbaren Nachteile ist nicht erforderlich.

Gemäß § 112 Abs. 1 S. 1 BetrVG ist der Sozialplan schriftlich niederzulegen.

Kommt eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, können der Unternehmer oder der Betriebsrat gemäß § 112 Abs. 2 S. 1 BetrVG die Einigungsstelle anrufen. Kommt eine Einigung dennoch nicht zustande, entscheidet die Einigungsstelle gemäß § 112 Abs. 4 BetrVG über die Aufstellung eines Sozialplans.

Der Sozialplan steht in seiner Wirkung einer Betriebsvereinbarung gleich. Demzufolge begründet er regelmäßig unmittelbare Rechtsansprüche der jeweiligen Arbeitnehmer.

Zu beachten ist, dass der Sozialplan grundsätzlich nur für die Arbeitnehmer gilt, die in dem Betrieb beschäftigt sind, der von der Betriebsänderung erfasst ist.

Welche Maßnahmen zum Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer führen und erforderlich sind, ist immer anhand des Einzelfalls zu bestimmen.

Wann der Sozialplan in Kraft treten soll, kann von den Betriebsparteien bestimmt werden. Erfolgt hierzu keine Vereinbarung, tritt der Sozialplan mit der Unterzeichnung in Kraft. Der Sozialplan endet entweder durch Ablauf einer Frist (Befristung) oder durch ordentliche oder außerordentliche Kündigung. Darüber hinaus kann ein Sozialplan jederzeit im Einvernehmen der Betriebsparteien geändert werden.

Ansprüche aus dem Sozialplan sind – sofern sie bereits entstanden sind – auch vererblich. Eine Ausschlussfrist für deren Geltendmachung ist nur insoweit zulässig, als sie in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vereinbart werden.

 

5.    Was ist hinsichtlich Sozialplanansprüchen im Insolvenzverfahren zu beachten?

Die Insolvenzordnung enthält in §§ 123 und 124 InsO Vorschriften über den Sozialplan in der Insolvenz. Grundlegend ist dabei zwischen Sozialplänen die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens und solchen, die danach abgeschlossen wurden, zu unterscheiden.

§ 124 InsO enthält Regelungen zu Sozialplänen vor Verfahrenseröffnung. Gemäß § 124 Abs. 1 InsO kann ein Sozialplan, der vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, jedoch nicht früher als drei Monate vor dem Eröffnungsantrag aufgestellt worden ist, sowohl vom Insolvenzverwalter als auch vom Betriebsrat widerrufen werden. Im Falle eines Widerrufs können gemäß Abs. 2 die Arbeitnehmer, denen Forderungen aus dem Sozialplan zugestanden haben, bei der Aufstellung eines Sozialplans im Insolvenzverfahren berücksichtigt werden.

Regelungen zu einem nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeschlossenen Sozialplans befinden sich in § 123 BetrVG. Diesbezüglich sind insbesondere die Obergrenzen zu beachten, die hierin aufgestellt sind. Nach § 123 Abs. 1 BetrVG kann in einem Sozialplan, der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgestellt wird, für den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen, ein Gesamtbetrag von bis zu zweieinhalb Monatsverdiensten der von einer Entlassung betroffenen Arbeitnehmer vorgesehen werden. Nach Abs. 2 S. 2 darf für die Berichtigung von Sozialplanforderungen jedoch nicht mehr als ein Drittel der Masse verwendet werden, die ohne einen Sozialplan für die Verteilung an die Insolvenzgläubiger zur Verfügung stünde.

 

6.    Was ist hinsichtlich des Nachteilsausgleichs nach § 113 BetrVG zu beachten?

Weicht der Unternehmer von einem Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung ohne zwingenden Grund ab, so können die Arbeitnehmer, die infolge dieser Abweichung entlassen werden, gemäß § 113 Abs. 1 BetrVG beim Arbeitsgericht Klage erheben mit dem Antrag, den Arbeitgeber zur Zahlung von Abfindungen zu verurteilen. Gemäß Abs. 3 gilt dies entsprechend, wenn der Unternehmer eine geplante Betriebsänderung nach § 111 BetrVG durchführt, ohne über sie einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben, und infolge der Maßnahmen Arbeitnehmer entlassen werden oder andere wirtschaftliche Nachteile erleiden.

Der Nachteilsausgleich nach Abs. 1 setzt voraus, dass zwischen den Betriebsparteien ein Interessenausgleich zustande gekommen ist. Hierzu ist eine Einigung über das Ob und Wie einer geplanten Betriebsänderung, die schriftlich festzuhalten ist, erforderlich. Ausreichend kann auch eine Vereinbarung im Rahmen eines Sozialplans sein. Zwingende Gründe für eine Abweichung liegen nur vor, wenn sie nach Abschluss des Interessenausgleichs eingetreten sind und die nach Abwägung der Interessen des Unternehmers und der Belegschaft die Abweichung zur Abwendung unmittelbar drohender Gefahren erforderlich machen. Außerdem muss die Kündigung gerade auf der Abweichung beruhen. Das ist nicht der Fall, wenn der Arbeitnehmer auch ohne die Abweichung zum gleichen Zeitpunkt entlassen worden wäre. Regelmäßig kommt die Kausalität nur bei einer betriebsbedingten Kündigung in Betracht.