Handelsvertreter/

Scheinselbstständigkeit

1.       Was ist ein Handelsvertreter?

Handelsvertreter ist gemäß § 84 Abs. 1 S. 1 HGB, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Charakteristisch für den Handelsvertreter ist seine Selbständigkeit, wodurch er sich von einem kaufmännischen Angestellten abgrenzen lässt. Selbständig ist, wer im Wesentlichen seine Tätigkeit frei gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann, § 84 Abs. 1 S. 2 HGB. Die Selbständigkeit ist dabei nicht nur allein an Hand der vertraglichen Vereinbarung zu beurteilen, sondern auch nach der tatsächlichen Ausführung des Vertrages. Rechtlich werden Handelsvertreter als Kaufleute im Sinne des § 1 HGB behandelt.

Beispiel:

Handelsvertreter Max Mustermann reist für einen Handyhersteller durch ein Vertriebsgebiet (z.B. Nordrhein-Westfalen) und verkauft in dessen Namen und auf dessen Rechnung die Mobiltelefone an Fachmärkte, Unternehmen und Großhändler.

Der Unterschied zu einem Zwischenhändler besteht vor allem darin, dass der Handelsvertreter die Ware nicht kauft und verkauft, sondern lediglich als Vermittler für den Verkauf auftritt. Für diese Vermittlung erhält er eine Provision.

 

2.       Was versteht man unter dem Begriff „Scheinselbständigkeit“?

Eine Scheinselbständigkeit liegt vor, wenn die Parteien einen Handelsvertretervertrag geschlossen haben, der zur Dienstleistung Verpflichtete aber tatsächlich nicht als selbständiger Handelsvertreter, sondern als unselbständiger Angestellter tätig geworden ist. Eine solche Scheinselbständigkeit hat unter anderem zur Folge, dass mögliche Streitigkeiten aus dem Vertragsverhältnis in die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte fallen.

Ob eine echte oder nur eine Scheinselbständigkeit vorliegt, bestimmt sich nach dem Grad der persönlichen Abhängigkeit des Verpflichteten. Die Ermittlung dieser Abhängigkeit ergibt sich aus einer Gesamtwürdigung des Vertrages sowie dessen tatsächlicher Ausführung. Vor allem, wenn die mit der Rechtsstellung eines Handelsvertreters verbundenen Vorteile erheblich eingeschränkt werden, wird er zum Arbeitnehmer. Ein solcher Fall ist insbesondere dann gegeben, wenn dem Handelsvertreter nur noch das wirtschaftliche Risiko der Tätigkeit übernimmt.

 

3.       Was ist ein Einfirmenvertreter?

Bei dem sogenannten Einfirmenvertreter handelt es sich um einen Handelsvertreter, der vertraglich nicht für mehrere Unternehmen tätig sein darf oder dem dies nach Art und Umfang seiner Tätigkeit nicht möglich ist, § 92a Abs. 1 HGB.

 

4.       Wie wird das Arbeitsrecht auf den Handelsvertreter angewendet?

Das Arbeitsrecht ist grundsätzlich nicht auf den Handelsvertreter anwendbar. Darüber hinaus kommt nach § 12a Abs. 4 TVG auch das Tarifvertragsrecht selbst dann nicht zur Anwendung, wenn der Handelsvertreter als arbeitnehmerähnliche Person eingestuft werden kann. Zwischen dem Auftraggeber und dem Handelsvertreter besteht ein Rechtsverhältnis in Form eines auf Geschäftsbesorgung gerichteten unabhängigen Dienstvertrages. Vorrangig anwendbar sind hierauf die §§ 84 ff. HGB sowie hilfsweise die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches zu Dienst- und entgeltlichen Geschäftsbesorgungsverträgen aus §§ 611 ff. BGB und § 675 BGB in Verbindung mit §§ 663, 665, 670, 672-674 BGB. Der Anspruch auf ein Arbeitszeugnis aus § 630 BGB kann sich auch für den Handelsvertreter ergeben, sofern dieser arbeitnehmerähnlich oder Einfirmenvertreter ist.

Sozial abgesichert ist der Handelsvertreter durch eine Verlängerung der Kündigungsfristen über § 89 Abs. 1 HGB, wonach bei einem unbefristeten Vertragsverhältnis die Kündigungsfrist im ersten Jahr einen Monat, im zweiten Jahr zwei Monate und im dritten bis fünften Jahr drei Monate beträgt. Wichtig ist darüber hinaus, dass die zweiwöchige Kündigungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB bei einer außerordentlichen Kündigung gemäß § 89a HGB nicht für das Vertragsverhältnis eines Handelsvertreters gilt. Wird der Vertrag beendet, erhält der Handelsvertreter einen Ausgleichsanspruch nach § 89b BGB. Demnach kann der Handelsvertreter von dem Unternehmer nach Beendigung des Vertragsverhältnisses einen angemessenen Ausgleich verlangen, wenn und soweit der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat und die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit diesen Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht.

 

5.       Welche Besonderheiten ergeben sich bei einem Einfirmenvertreter?

Aufgrund der wirtschaftlichen Abhängigkeit des Einfirmenvertreter, kommen einige Vorschriften des Arbeitsrechtes zur Anwendung. § 92a HGB regelt, dass Mindestleistungen des Unternehmers durch Rechtsverordnungen festgesetzt werden können. Eine derartige Rechtsverordnung wurde bisher jedoch nicht erlassen.

Hervorzuheben ist, dass Einfirmenvertreter gemäß § 5 Abs. 1 ArbGG als Arbeitnehmer im Sinne des ArbGG gelten, wenn sie während der letzten sechs Monate des Vertragsverhältnisses durchschnittlich nicht mehr als 1.000 EUR als Vergütung erhalten haben. Sollte der Handelsvertreter in den letzten sechs Monaten nicht gearbeitet und somit nichts verdient haben, sind trotzdem diese sechs Monate ausschlaggebend. Die Vergütung ergibt sich aus den tatsächlich erzielten Bezügen. Für Rechtsstreitigkeiten zwischen Unternehmer und Einfirmenvertreter sind ausschließlich die Arbeitsgerichte zuständig. Einfirmenvertreter haben darüber hinaus einen Zeugnisanspruch aus § 630 BGB. Außerdem treffen den Unternehmer ihm gegenüber Fürsorgepflichten.

 

6.       Haben Handelsvertreter einen Anspruch auf Urlaub?

Ein Urlaubsanspruch des Handelsvertreters nach dem BUrlG kann sich ergeben, wenn dieser zu dem Kreis der arbeitnehmerähnlichen Personen gemäß § 2 BUrlG gehört. Entscheidend für eine solche Einordnung, ist die allgemeine Begriffsbestimmung der wirtschaftlichen Unselbstständigkeit. Im Grundsatz sind nur Einfirmenvertreter wirtschaftlich abhängig und damit unselbstständig, da Handelsvertreter bei Wegfall eines Unternehmens für ein anderes tätig werden können. Etwas anderes kann sich dann ergeben, wenn der wesentliche Verdienst und die Lebensgrundlage des Handelsvertreters auf dem wegfallenden Unternehmen beruhen.

 

7.       Wie sind Handelsvertreter steuerrechtlich einzuordnen?

Da Handelsvertreter keine Arbeitnehmer im Sinne des § 1 Abs. 2 LStDVO sind, sind sie nicht lohnsteuerpflichtig. Sie sind einkommenssteuerpflichtig. Grundsätzlich unterliegen sie nicht der Sozialversicherungspflicht. Es kann sich jedoch eine Rentenversicherungspflicht aus § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VI ergeben, wenn sie überwiegend für einen Unternehmer tätig sind und selbst keine Arbeitnehmer beschäftigen.