Urlaubsrecht (Rechtsprechung Bundesarbeitsgericht)

1.    Was gilt grundsätzlich für die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht (BAG)?

Die Rechtsprechung des BAG bezieht sich nur auf den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch, den der Arbeitnehmer nach dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) zusteht. Nach dem BUrlG stehen einem Arbeitnehmer bei einer 5-Tage-Woche insgesamt 20 Urlaubstage zu.

Die rechtliche Bewertung des vertraglich gewährten Mehrurlaubs richtet sich nach § 26 TV-Land und den jeweiligen landesrechtlichen Verordnungen, in NRW § 19 Freistellungs- und Urlaubsverordnung-NRW.

Gemäß § 26 Abs. 1 S. 6 TV-Land muss der Erholungsurlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt werden. § 26 Abs. 2 lit. a TV-Land bestimmt, dass das Bundesurlaubsgesetz im Übrigen mit folgenden Maßgaben gilt. Im Falle der Übertragung muss der Erholungsurlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres angetreten werden. Kann der Erholungsurlaub wegen Arbeitsunfähigkeit oder aus betrieblichen / dienstlichen Gründen nicht bis zum 31. März angetreten werden, ist er bis zum 31. Mai anzutreten.

Eine Regelung, wonach zunächst der vertraglich gewährte Mehrurlaub genommen werden muss und erst dann der gesetzliche Mindesturlaub von dem Arbeitnehmer beansprucht wird, existiert nicht. Etwas anderes kann sich jedoch auch einer arbeitsvertraglichen Regelung ergeben.

 

2.    Was hat das BAG konkret entschieden?

2.1      Fallgruppe 1: Arbeitgeber erfüllt seine Mitwirkungspflichten nicht

Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub erlischt nur dann am Ende eines Kalenderjahres bzw. am Ende eines Übertragungszeitraums, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch zu nehmen und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat, vgl. BAG Urteil v. 19.02. 2019 – 9 AZR 423/16.

Der Arbeitgeber erfüllt seinen Mitwirkungsobliegenheiten, wenn er den Arbeitnehmer auffordert, seinen Urlaub zu nehmen und ihm klar und rechtzeitig mitteilt, dass der Urlaub mit dem Ablauf des Kalenderjahres oder Übertragungszeitraums verfällt, wenn er ihn nicht beantragt.

Erst die Erfüllung dieser Mitwirkungsobliegenheiten durch den Arbeitgeber führen zu der Befristung des Urlaubsanspruchs nach § 7 Abs. 3 BUrlG.

Dem Arbeitgeber steht ein Spielraum zu, wie er seine Mitwirkungsobliegenheiten erfüllen will. Der Arbeitgeber muss im Ergebnis den Arbeitnehmer über den Umfang des noch bestehenden Urlaubs in Kenntnis setzen, ihn auf die Fristen hinweisen, bis zu denen der Urlaub genommen werden kann und ihn zudem auffordern, den Urlaub tatsächlich in Anspruch zu nehmen.

Bei der Information des Arbeitnehmers über den bestehenden Urlaubsanspruch muss er sich zudem auf einen konkret bezeichneten Urlaubsanspruch eines bestimmten Jahres beziehen.

Werden die Mitwirkungsobliegenheiten von dem Arbeitgeber nicht erfüllt, führt dies dazu, dass der Urlaubsanspruch nicht verfällt, sondern neben dem Urlaubsanspruch aus dem aktuellen Urlaubsjahr tritt. Der Arbeitgeber kann in dem jeweils aktuellen Urlaubsjahr seine Mitwirkungsobliegenheiten für den Urlaub aus zurückliegenden Jahren nachholen.

 

2.2      Fallgruppe 2: Arbeitnehmer hat im Verlauf des Kalenderjahres gearbeitet, bevor er arbeitsunfähig ist

Der Anspruch auf gesetzlichen Mindesturlaub aus einem Urlaubsjahr, in dem der Arbeitnehmer tatsächlich gearbeitet hat, bevor er auf Grund seiner Erkrankung seinen Urlaub nicht mehr nehmen konnte, erlischt regelmäßig nur dann nach Ablauf eines Übertragungszeitraums von 15 Monaten, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig in die Lage versetzt hat, seinen Urlaub in Anspruch zu nehmen.

Das Bundesarbeitsgericht hatte in der Sache Az.: 9 AZR 401/19 (A) über den Verfall eines Urlaubsanspruchs eines Arbeitnehmers aus dem Jahr 2014 zu entscheiden. Der Arbeitnehmer war in der Zeit vom 01. Dezember 2014 bis August 2019 arbeitsunfähig erkrankt. In dem Zeitraum von Januar bis November 2014 hatte der Arbeitgeber seine Mitwirkungspflichten nicht erfüllt und mithin weder den Arbeitnehmer aufgefordert seinen Urlaub zu nehmen noch ihn darüber unterrichtet, wie viele Urlaubstage ihm zustehen. In diesem Fall hat das BAG entschieden, dass der Urlaub nicht verfallen ist, weil der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit in die Lage zu versetzen hat, seinen Urlaub tatsächlich zu nehmen. Die Entscheidungsgründe des Urteils wurden nicht veröffentlicht.

 

2.3      Fallgruppe 3: Erkrankung vom 01.01. des Urlaubsjahres bis zum 31.03. des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres

Der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers verfällt mit Ablauf einer 15-Monatsfrist, wenn der Arbeitnehmer seit Beginn des Urlaubsjahres durchgehend bis zum 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres aus gesundheitlichen Gründen daran gehindert war, seinen Urlaub zu nehmen.

In diesem Fall ist der Arbeitnehmer daran gehindert seinen Urlaub zu nehmen, weil er durchgehend krankheitsbedingt arbeitsunfähig war. Aus diesem Grund verfällt der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers mit Ablauf der 15-Monatsfrist und zwar unabhängig davon, ob der Arbeitgeber seine Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten eingehalten hat.