Vertragsstrafen

1.     Was ist eine Vertragsstrafe?

Die Vertragsstrafe nach §§ 339 ff. BGB ist eine Form des unselbständigen Strafversprechens, das unter der Bedingung der nicht ordnungsgemäßen Erfüllung der dem Schuldner obliegenden Verpflichtungen steht. Voraussetzung für eine Vertragsstrafe ist demnach grundsätzlich eine Verpflichtung zur Leistung (sog. Hauptverpflichtung). Das Strafversprechen dient einerseits als Druckmittel zur Erfüllung der Verpflichtungen und andererseits ermöglicht es im Falle einer Verletzung der Pflichten eine erleichterte Schadloshaltung ohne Einzelnachweis.

Im Gegensatz dazu steht das selbständige Strafversprechen, bei dem keine Hauptverpflichtung besteht und es sich um eine Garantieleistung handelt. Das selbständige Strafversprechen wird für einen Fall versprochen, in dem sich der Schuldner nicht zur Vornahme oder Nichtvornahme einer Handlung verpflichtet. Der Begriff „Strafe“ ist insofern ungenau, da es sich hierbei um eine Entschädigung für nicht erfüllte Erwartungen handelt.

Werden Vertragsstrafevereinbarungen als Sanktionsmittel zur Ordnung des Betriebes eingesetzt, können sie nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig sein.

 

2.     Was ist bei selbständigen Strafversprechen zu beachten?

Ein selbständiges Strafversprechen kann unter anderem für den Fall vereinbart werden, dass es nicht zum Abschluss eines Arbeitsvertrags kommt. Ebenfalls in Betracht kommt ein solches Versprechen in unbefristeten Arbeitsverhältnissen, wenn es vor Ablauf einer bestimmten Zeit gekündigt wird. Eine Klausel, die den Arbeitnehmer bei einer kürzeren fristgemäßen Eigenkündigung zur Zahlung einer „Abfindung“ verpflichtet, ist jedoch unzulässig und stellt eine rechtswidrige Kündigungsbeschränkung dar. Auch wenn der Arbeitgeber bei einer fristgerechten Kündigung seinerseits eine entsprechend höhere Abfindung zahlen müsste, bleibt die Klausel unwirksam.

Einige Vorschriften der §§ 339ff. BGB können aufgrund der Rechtsähnlichkeit mit dem unselbständigen Strafversprechen entsprechend angewendet werden. Wenn keine der beteiligten Parteien für das Nichterfüllen der zugesagten Leistung nach § 276 BGB verantwortlich ist, entfällt auch die selbständige Vertragsstrafe nach § 339 BGB analog (entsprechend). Etwas anderes gilt nur, wenn ausdrücklich oder stillschweigend etwas Abweichendes vereinbart wurde. Sollte die vereinbarte Strafe unverhältnismäßig hoch sein, kann sie gemäß § 343 Abs. 2 BGB reduziert werden.

 

3.     Was ist bei unselbständigen Strafversprechen (Vertragsstrafe) zu beachten?

3.1       Wie wird eine Vertragsstrafe vereinbart?

Vertragsstrafen können als Sicherheit nur bei einer bestehenden Hauptverbindlichkeit durch eine spezielle Vereinbarung im Einzelarbeitsvertrag oder Tarifvertrag vereinbart werden. Gemäß § 12 Abs. 2 BBiG sind Vertragsstrafen mit Auszubildenden und Personen, die in § 26 BBiG genannt werden (Anlernlinge, Volontäre, Praktikanten), grundsätzlich nicht erlaubt. Die Absicherung des Arbeitsverhältnisses nach dem Ende des Ausbildungsverhältnisses ist davon nicht betroffen (vgl. § 12 Abs. 1 S. 2 BBiG).

Auch Betriebspartner dürfen Vertragsstrafen in einer Betriebsvereinbarung regeln, jedoch darf ungünstigeren einzelvertraglichen Regelungen kein allgemeiner Vorrang eingeräumt werden. Da der Betriebsrat keine Vermögens- und Rechtsfähigkeit besitzt, kann keine Vertragsstrafe vereinbart werden, die den Arbeitgeber gegebenenfalls dazu verpflichtet, an den Betriebsrat bei Verletzung von Mitbestimmungsrechten eine Vertragsstrafe zu zahlen. Auch eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, wonach der Arbeitgeber im Falle von Verletzungen des Mitbestimmungsrechts an einen Dritten eine Vertragsstrafe zahlen muss, ist unwirksam.

 

3.2       Welche Wirksamkeitsvoraussetzungen hat eine Vertragsstrafe?

3.2.1      Vertragsstrafen in Formulararbeitsverträgen

Formulararbeitsverträge dürfen Vertragsstrafen trotz § 309 Nr. 6 BGB enthalten. Dies ergibt sich daraus, dass nach § 310 Abs. 4 S. 2 BGB die arbeitsrechtlichen Besonderheiten zu berücksichtigen sind und im Arbeitsrecht die Möglichkeit von Vertragsstrafvereinbarungen eine Notwendigkeit darstellt. Vertragsstrafen schützen Arbeitgeber vor Vertragsbrüchen, da der Nachweis eines Schadens oft nicht möglich ist und Zwangshaft oder Zwangsgeld nicht durchsetzbar sind. Vertragsstrafen müssen jedoch klar und verständlich formuliert sein und den Anforderungen von § 305c Abs. 1 BGB und § 307 Abs. 1 S. 2 BGB entsprechen. Zum Schutz des Arbeitnehmers ist bei der Prüfung der Wirksamkeit ein strenger Maßstab zu beachten.

 

3.2.2      Bestimmtheitsanforderungen

Die Klausel einer Vertragsstrafe muss gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB nicht nur die zu zahlende Strafe, sondern auch die Pflichtverletzung klar benennen, die diese auslöst. Allgemeine Tatbestände ohne weitere Erläuterungen genügen nicht dem Bestimmtheitsgebot. Eine beispielhafte Nennung von Pflichtverstößen kann jedoch die Bestimmtheit begründen.

Eine Klausel in AGB, wonach der Arbeitgeber beispielsweise bei einer Verletzung des Wettbewerbsverbots „für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe in Höhe von zwei durchschnittlichen Brutto-Monatseinkommen verlangen kann“ ist nicht iSd § 307 Abs. 1 S. 2 BGB hinreichend bestimmt.

Eine Vertragsstrafenklausel ist außerdem unbestimmt, wenn für die Höhe der Strafe das Gehalt von zwei Wochen oder einem Monat vorgesehen ist, aber keine bestimmte Arbeitszeit oder kein festes Entgelt vereinbart wurde. In diesem Fall ist nicht klar, welcher Betrag als Vertragsstrafe gilt.

 

3.2.3      Berechtigtes Interesse und unzulässige Übersicherung

Damit eine Vereinbarung im Arbeitsvertrag nicht nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unangemessen ist, muss der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse an der Vertragsstrafe haben. Die Bestimmung des berechtigten Interesses erfolgt anhand eines generalisierenden, vom Einzelfall losgelösten Prüfungsmaßstab.

Eine Vertragsstrafe kann unangemessen sein, wenn sie außer Verhältnis zum Vertragsverstoß und den Folgen für den Schuldner steht, insbesondere bei pauschalen Sanktionen ohne Differenzierung. Ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers besteht, wenn bei Vertragsverletzung ein nicht unerheblicher Schaden droht, der nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand nachgewiesen werden kann.

Unwirksam ist eine Vertragsstrafe beispielsweise dann, wenn der Arbeitnehmer für den Fall der vertragswidrigen Lösung des Arbeitsvertrags zur Zahlung einer Strafe verpflichtet ist, die höher ist als das vom Arbeitgeber bis dahin an den Arbeitnehmer bezahlte Entgelt. In diesem Fall liegt eine unzulässige Übersicherung vor.

 

3.2.4      Wirksamkeit der gesicherten Hauptverpflichtung

Die Strafabrede kann unter bestimmten Umständen unwirksam sein, wenn die Hauptverbindlichkeit selbst nichtig ist, erfolgreich angefochten wurde oder vor ihrer Verwirkung aufgrund einer Versäumung der Ausschlussfrist erloschen ist. Gemäß § 344 BGB ist ein Strafversprechen unwirksam, wenn die Hauptverbindlichkeit auf eine vom Gesetz verbotene Leistung gerichtet ist.

Wenn eine Vertragsstrafe bei einer fristlosen Kündigung vorgesehen ist, kann der gekündigte Arbeitnehmer nicht mehr geltend machen, dass die Kündigung unwirksam war, wenn er keine Kündigungsschutzklage erhoben hat. Das Verstreichenlassen der Frist nach § 4 KSchG führt zur Fiktion der Rechtswirksamkeit der Kündigung und schafft eine Bindungswirkung in Bezug auf die Frage der Wirksamkeit der Kündigung in anderen Prozessen. Ob die Vertragsverletzung schuldhaft erfolgt ist, muss im Rechtsstreit über die Vertragsstrafe geprüft werden.

 

3.2.5      Sicherungsinteresse des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber hat ein berechtigtes Interesse an einer zusätzlichen Absicherung seines Erfüllungsanspruchs, da bei Vertragsbruch oder anderen schweren Pflichtverstößen des Arbeitnehmers regelmäßig ein Schadensnachweis schwer oder überhaupt nicht zu erbringen ist. Ein Urteil, das den Arbeitnehmer zur Erfüllung verpflichtet, könnte gemäß § 888 Abs. 3 ZPO nicht vollstreckt werden.

Besonders bei typischen, schwer nachweisbaren Schäden ist ein berechtigtes Interesse gegeben.

 

3.3       Wann liegt ein Verschulden vor?

Gemäß § 339 Abs.1 BGB tritt die Verwirkung der Strafe ein, wenn der Schuldner mit der Hauptverbindlichkeit in Verzug gerät. Der Schuldner muss die Verwirkung selbst verschulden. Ausreichend hierfür ist einfache Fahrlässigkeit. Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die das Verschuldenserfordernis ausschließt, ist gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Der Schuldner trägt die Beweislast für das fehlende Verschulden. Vertragsstrafen bei „Vertragsbruch“ erfordern vorsätzliches Verhalten des Schuldners.

 

3.4       In welchem Verhältnis stehen Strafe und Verbindlichkeit zueinander?

Das Gesetz regelt im Interesse des Schuldnerschutzes das Verhältnis zwischen Vertragsstrafe und Schadensersatzanspruch bei Pflichtverletzung nach den §§ 280 ff. BGB. § 340 Abs. 2 BGB ermöglicht es, die Vertragsstrafe als Mindestbetrag eines Schadensersatzanspruchs wegen Nichterfüllung zu fordern, um eine ungerechtfertigte Bereicherung des Gläubigers zu vermeiden. Unterschieden werden Strafversprechen für Nichterfüllung (§ 340 BGB) und für nicht gehörige Erfüllung (§ 341 BGB). Letzteres tritt bei verspäteter oder mangelhafter Leistung ein.

 

3.5       Was ist bei einer Vertragsstrafe wegen Nichterfüllung zu beachten?

Eine vereinbarte Strafzahlung bei Nichterfüllung führt gemäß § 340 Abs. 1 S. 1 BGB zum sofort fälligen Anspruch auf die Strafe, wenn sie verwirkt ist und der Gläubiger die Strafe verlangt. Der Anspruch auf Erfüllung nach § 340 Abs. 1 S. 2 BGB ist ausgeschlossen, sobald der Gläubiger die Vertragsstrafe verlangt. Die Strafe kann ausdrücklich oder konkludent in Anspruch genommen werden, beispielsweise durch Klageerhebung.

Wenn dem Gläubiger ein Schadensersatzanspruch zusteht, kann die Strafe nach § 340 Abs. 2 S. 1 BGB als Mindestbetrag ohne Schadensnachweis verlangt werden. Gemäß § 340 Abs. 2 S. 2 BGB wird hierdurch die Geltendmachung eines weiteren Schadens nicht ausgeschlossen. Die Vertragsstrafe ist hierauf anzurechnen.

 

3.6       Was ist bei einer Vertragsstrafe wegen nicht gehöriger Erfüllung zu beachten?

Gemäß § 341 Abs. 1 BGB kann der Gläubiger die verwirkte Strafe neben der Erfüllung verlangen, wenn der Schuldner die Strafe für den Fall der nicht ordnungsgemäßen Erfüllung der Hauptverbindlichkeit versprochen hat. Vertragsstrafen wegen mangelhafter Leistung sind jedoch unwirksam, wenn dadurch die Grundsätze der eingeschränkten Arbeitnehmerhaftung beeinträchtigt werden.

Vertragsstrafen wegen Verletzung von Nebentätigkeitsverboten sind nur in Ausnahmefällen erlaubt, z.B. wenn eine Konkurrenzsituation vorliegt und dadurch ein schwer zu beziffernder Schaden entsteht.

Gemäß § 341 Abs. 1 BGB kann der Gläubiger die Strafe, für den Fall, dass er die Erfüllung annimmt, nur verlangen, wenn er sich das Recht dazu bei der Annahme vorbehält. Wenn ein Schadensersatzanspruch besteht, kann der Gläubiger die Strafe gemäß § 341 Abs. 2 BGB als Mindestbetrag des Schadens verlangen.

 

3.7       Kann die Vertragsstrafe herabgesetzt werden?

Ja. Gemäß § 343 Abs. 1 S. 1 BGB kann eine unverhältnismäßig hohe Strafe auf Antrag oder Einrede des Schuldners durch ein rechtsgestaltendes Urteil auf einen angemessenen Betrag herabgesetzt werden. Jeder Vortrag, der das Begehren auf eine Herabsetzung der Vertragsstrafe erkennen lässt, reicht aus. Ein ausdrücklicher Antrag ist nicht erforderlich.

Die Höhe einer Strafe ist insbesondere dann unangemessen, wenn sie in keinem Verhältnis zur Schwere des Vertragsverstoßes steht. Bei der Beurteilung der Angemessenheit müssen alle berechtigten Interessen des Gläubigers berücksichtigt werden. Im Falle eines arbeitnehmerseitigen Vertragsbruchs darf die Strafe beispielsweise nicht höher als das für die Dauer der Kündigungsfrist zu zahlende Gehalt sein, es sei denn, es besteht ein besonderes Sanktionsinteresse des Arbeitgebers.

Das Fehlen eines Schadens allein rechtfertigt keine Herabsetzung der Strafe. Vielmehr ist entscheidend, welchen Schaden der Vertragsbruch hypothetisch hätte herbeiführen können. Der Schuldner trägt für die Unverhältnismäßigkeit der Höhe der vereinbarten Vertragsstrafe die Darlegungs- und Beweislast.

Bei Formulararbeitsverträgen ist eine Herabsetzung einer Vertragsstrafe nach § 343 Abs. 1 S. 1 BGB ausgeschlossen, wenn die Abrede selbst der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB nicht standhält. Eine Vertragsstrafe kann bereits abstrakt unverhältnismäßig hoch sein. Falls nicht, kann sie in besonderen Einzelfällen herabgesetzt werden.

 

4.     Was ist eine Pauschalierungsabrede?

Abzugrenzen ist die Vertragsstrafe auch von der Pauschalierungsabrede. Während eine unselbständige Vertragsstrafe eine Forderung sichert, beinhaltet eine Pauschalierungsabrede eine pauschale Schadensersatzforderung für den Arbeitgeber oder Arbeitnehmer. Diese soll dazu dienen, die Beweis- und Darlegungslast zu erleichtern. In der Vergangenheit wurden Pauschalierungsabreden als zulässig angesehen. Jedoch ist mit dem Inkrafttreten des § 309 Nr. 5 BGB bei Formulararbeitsverträgen nur noch eine begrenzte Anwendung möglich. Eine gesetzliche Pauschalierungsregelung findet sich in § 61 ArbGG.