Betriebsrisiko

1.    Was versteht man unter dem Begriff des Betriebsrisikos?

Unter dem Begriff des Betriebsrisikos versteht man das Risiko des Arbeitgebers, seinen Betrieb betreiben zu können.

Erfasst sind Fälle, in denen der Arbeitnehmer leisten möchte, der Arbeitgeber die Leistung auch annehmen will, hierzu aber nicht in der Lage ist, weil der Betrieb stillgelegt ist. Der Grund für die Stilllegung kann beispielsweise in einer technischen Störung, einem Naturereignis oder einem Unglücksfall liegen. Die Betriebsrisikolehre bezieht sich grundsätzlich auf die Frage, ob der Arbeitgeber zur Entgeltzahlung verpflichtet ist, wenn er ohne eigenes verschulden nicht dazu in der Lage ist, seine Arbeitnehmer zu beschäftigen.

Grundsätzlich wird die Arbeitsleistung in den vorher genannten Fällen nach § 275 BGB unmöglich. Ob der Arbeitgeber zur Entgeltzahlung verpflichtet ist, bestimmt sich danach, ob der Entgeltanspruch des Arbeitnehmers nach § 326 Abs. 1 S. 1 BGB erlischt oder der Arbeitgeber nach § 615 BGB zur Zahlung der Vergütung weiterhin verpflichtet ist.

Das Betriebsrisiko ist nicht mit dem Wirtschaftsrisiko des Arbeitgebers gleichzusetzen. Das Wirtschaftsrisiko erfasst ausschließlich Fälle, in denen der Arbeitgeber die Leistung theoretisch annehmen kann, dies jedoch nicht will, da eine Annahme für ihn aus wirtschaftlicher Sicht unvernünftig oder sinnlos ist.

 

2.    Wie behandelt das Bundesarbeitsgericht Fälle des Betriebsrisikos?

Das Bundesarbeitsgericht hat die Betriebsrisikolehre des Reichs- und Reichsarbeitsgerichts weiterentwickelt. Danach trägt der Arbeitgeber das Risiko für alle von außen auf den Betrieb einwirkenden Ursachen. Abgeleitet wird dies daraus, dass der Arbeitgeber den Betrieb leite, die Erträge erziele und somit auch die Verantwortung trage. Im Ergebnis bleibt der Arbeitgeber nach § 615 BGB zur Entgeltzahlung verpflichtet, auch wenn die Gründe nicht betriebstechnische Störungsursachen haben oder auf einem Versagen der sachlichen oder persönlichen Mittel des Betriebes beruhen. Erfasst sind somit auch Fälle, die für den Arbeitgeber höhere Gewalt darstellen, wie Naturkatastrophen, extreme Witterungsverhältnisse oder sonstige Unglücksfälle. Etwas anderes kann sich nur ergeben, wenn die Arbeitsvertragsparteien die Regelung des § 615 BGB durch Einzelvertrag oder tarifliche Vereinbarungen abbedungen haben.

Ausnahmsweise trägt der Arbeitgeber das Betriebsrisiko nicht, wenn das die Betriebsstörung verursachende Ereignis den Betrieb wirtschaftlich so schwer schadet, dass bei Zahlung der vollen Löhne die Existenz des Betriebs gefährdet wäre.

 

3.    Was gilt hinsichtlich des Vergütungsanspruchs?

§ 615 S. 3 BGB bestimmt, dass der Arbeitnehmer die vereinbarte Vergütung auch erlangen kann, wenn die Arbeit ausfällt und der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt. Eine Pflicht zur Nachleistung der Arbeit besteht für den Arbeitnehmer nicht.

Der § 615 S. 3 BGB setzt voraus, dass eine Pflicht zur Arbeitsleistung besteht und die Arbeit aufgrund von Umständen ausfällt, für die der Arbeitgeber das Risiko trägt. Liegen diese Voraussetzungen vor, bleibt der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers bestehen. Da § 615 S. 3 BGB einen Rechtsgrundverweis auf die Sätze 1 und 2 der Vorschrift enthält, müssen darüber hinaus auch die Voraussetzungen des § 615 S. 1 BGB vorliegen. Hieraus folgt wiederum, dass grundsätzlich alle Voraussetzungen der §§ 294 ff. BGB erfüllt sein müssen. Der Arbeitnehmer muss seine Arbeitsleistung jedoch nicht anbieten, wenn zu erwarten ist, dass das Angebot auf keinen Fall angenommen wird.

Der Arbeitgeber bleibt unabhängig von § 615 BGB nach § 326 Abs. 2 S. 1 BGB zur Entgeltzahlung verpflichtet, wenn er für den Umstand aufgrund dessen der Arbeitnehmer nicht zu leisten braucht, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist.

Ein in der Praxis häufig problematischer Fall besteht bei dem Zusammentreffen von Betriebsrisiko des Arbeitsgebers und Wegerisiko des Arbeitnehmers. Ein solcher Sachverhalt kann beispielsweise vorliegen, wenn der Betrieb des Arbeitgebers aufgrund einer Umweltkatastrophe zum Erliegen kommt und der Arbeitnehmer aus dem gleichen Grund nicht zur Arbeit kommen kann. Hier stellt sich sodann die Frage, wer das Risiko des Arbeitsausfalls zu tragen hat. Da aufgrund des § 615 S. 3 BGB die Sätze 1 und 2 ebenfalls anwendbar sind, und demnach die Annahmeverzugsvoraussetzungen vorliegen müssen, trägt grundsätzlich der Arbeitnehmer das Risiko. Dies folgt aus der nach § 297 BGB vorausgesetzten Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers, die in der genannten Fallkonstellation jedoch nicht gegeben ist, da er aufgrund des von ihm zu tragenden Wegerisikos die Arbeitsleistung nicht erbringen kann.