Annahmeverzug des Arbeitgebers

1.    Was versteht man unter Annahmeverzug?

Der Annahmeverzug ist in den §§ 293 ff. BGB geregelt. Nach § 293 BGB kommt der Gläubiger in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Bezogen auf ein Arbeitsverhältnis, kommt der Arbeitgeber nach § 293 BGB dann in Annahmeverzug, wenn er die ihm angebotene Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nicht annimmt. Konkret müssen folgende Voraussetzungen gegeben sein:

1) Es muss ein erfüllbares Arbeitsverhältnis vorliegen.

2) Die Arbeitsleistung muss tatsächlich oder unter gewissen Umständen nur wörtlich angeboten worden sein.

3) Der Arbeitnehmer darf im Zeitpunkt des Angebots nicht außerstande gewesen sein, die Arbeitsleistung zu erbringen.

4) Der Arbeitgeber darf die ihm angebotene Leistung nicht angenommen, seine erforderliche Mitwirkungshandlung unterlassen oder bei Zug-um-Zug Verpflichtungen die Gegenleistung nicht angeboten haben.

Es besteht außerdem die Möglichkeit, dass der Arbeitgeber mit der Annahme der Dienste nur teilweise in Verzug gerät, wenn er die Annahme nicht generell ablehnt, aber weniger Arbeitsleistung annimmt, als der Arbeitnehmer schuldet.

Der Annahmeverzug des Arbeitgebers bewirkt darüber hinaus die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung nach § 275 Abs. 1 BGB. Nach § 615 BGB wird der Vergütungsanspruch unabhängig vom Verschulden des Arbeitgebers aufrechterhalten, wenn die Unmöglichkeit allein auf dem Zeitablauf beruht und die Voraussetzungen des Annahmeverzugs bei Eintritt der Unmöglichkeit vorlagen. Ansonsten kann der Anspruch nach § 326 Abs. 2 BGB weiter bestehen, wenn der Arbeitgeber den Umstand aufgrund dessen der Arbeitnehmer die Leistung nicht zu erbringen braucht, allein oder weit überwiegend zu vertreten hat.

 

2.    Was gilt bei der Freistellung eines Arbeitnehmers?

Zunächst ist nach der Art der Freistellung zu unterscheiden.

Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer einseitig frei, ist die Erklärung des Arbeitgebers grundsätzlich dahingehend zu verstehen, dass er die Annahme der geschuldeten Arbeitsleistung ablehnt. Dadurch gerät der Arbeitgeber in Annahmeverzug nach § 293 BGB. Die Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers ergeben sich dann aus § 611a Abs. 2 iVm § 615 BGB.

Etwas anderes gilt, wenn die Vertragsparteien einen Aufhebungsvertrag oder einen Prozessvergleich schließen, nach dem der Arbeitnehmer bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Fortzahlung des Entgelts von der Arbeitsleistung freigestellt wird. In diesem Fall folgt der Vergütungsanspruch unmittelbar aus der Vereinbarung, nicht hingegen aus § 611a Abs. 2 iVm § 615 BGB. Die Möglichkeit des Annahmeverzugs besteht bei einer solchen Vereinbarung deshalb nicht, da sie die Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung aufhebt, die jedoch Voraussetzung für den Annahmeverzug des Arbeitgebers ist.

Darüber hinaus ist eine Freistellung des Arbeitnehmers nach dem Ausspruch einer ordentlichen Kündigung für die Dauer der Kündigungsfrist unter Anrechnung bestehender Urlaubsansprüche möglich. Der Arbeitgeber erfüllt den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers dabei in der Regel indem er dem Arbeitnehmer das Recht einräumt, die konkrete Lage des Urlaubs innerhalb der Kündigungsfrist selbst zu bestimmen. Für den Zeitraum, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtswirksam von seiner Arbeitspflicht durch Urlaubsgewährung befreit hat, kommen Ansprüche des Arbeitnehmers auf Annahmeverzugslohn nicht in Betracht. Für den Zeitraum der Freistellung außerhalb des gewährten Urlaubsanspruchs gilt § 615 BGB.

Führt der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Arbeitszeitkonto und wird die unwiderrufliche Freistellung vereinbart, tritt Annahmeverzug nur ein, wenn bis zum Ende des Ausgleichszeitraums oder des Arbeitsverhältnisses nicht die vereinbarte Gesamtdauer abgerufen wurde.

 

3.    Was gilt bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses?

Ist zwischen den Arbeitsvertragsparteien die Wirksamkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unklar und streitig, ist zur Begründung des Annahmeverzugs kein tatsächliches Angebot des Arbeitnehmers nach § 294 BGB notwendig. Ausreichend ist ein wörtliches Angebot iSd § 295 BGB, da der Arbeitgeber mit der Berufung auf die Wirksamkeit der Beendigung gleichzeitig erklärt, er werde keine weitere Arbeitsleistung mehr annehmen. Gleiches gilt nach Ablauf der Befristung eines Arbeitsverhältnisses.

Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis bedarf es keines Angebots des Arbeitnehmers mehr. Dies folgt daraus, dass der Arbeitgeber nach der Kündigung kein Arbeitsangebot des Arbeitnehmers mehr erwartet und ihm auch keinen funktionsfähigen Arbeitsplatz mehr zu Verfügung stellen will. Mithin gerät der Arbeitgeber nach einer Kündigung auch ohne Angebot der Arbeitsleistung in Annahmeverzug.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Arbeitnehmer, wenn er zum Kündigungstermin arbeitsunfähig erkrankt ist, zur Begründung des Annahmeverzugs nicht dazu verpflichtet die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit anzuzeigen. Der Arbeitgeber hat jedoch die Möglichkeit den Arbeitnehmer zur Anzeige der Arbeitsfähigkeit aufzufordern. Erfüllt der Arbeitnehmer diese Aufforderung nicht, kann er keine Rechte wegen Annahmeverzugs geltend machen.

Beantragt der Arbeitnehmer nach §§ 9, 10 KSchG die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung, besteht der Annahmeverzug grundsätzlich fort.

Macht der Arbeitnehmer die Unwirksamkeit einer Eigenkündigung geltend und verlangt Annahmeverzugsvergütung, ist ein Angebot nach §§ 294, 295 BGB durch den Arbeitnehmer erforderlich.

Streiten sich die Parteien über die Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrages, bedarf es zur Begründung des Annahmeverzugs des Arbeitgebers eines tatsächlichen Angebots des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer hat klarzustellen, dass er weiterhin zu den vertraglichen Bedingungen arbeiten möchte.

 

4.    Was gilt bei einem Betriebsübergang?

Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt gemäß § 613a Abs. 1 S. 1 BGB dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Dies betrifft auch einen bei dem früheren Betriebsinhaber begründeten Annahmeverzug. In diesem Fall ist kein Angebot gegenüber dem neuen Betriebsinhaber erforderlich. Für den Fall, dass der Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage gegenüber dem früheren Betriebsinhaber erfolgreich erhebt, muss der Erwerber den gegenüber dem Veräußerer eingetretenen Annahmeverzug gegen sich gelten lassen.

Annahmeverzug tritt ebenfalls ein, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vor Betriebsübergang erklärt, dass eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit aufgrund des Wegfalls seines Arbeitsplatzes nicht mehr gegeben ist. Ein Angebot durch den Arbeitnehmer ist in diesem Fall nach § 296 BGB entbehrlich.

 

5.    Was gilt bei einem GmbH-Geschäftsführer?

Wird das Dienstverhältnis eines GmbH-Geschäftsführers außerordentlich gekündigt, ist zur Begründung des Annahmeverzugs grundsätzlich gemäß § 295 BGB ein wörtliches Angebot erforderlich. Der Dienstberechtigte erklärt mit der Kündigung gleichzeitig, dass er die Dienstleistungen des GmbH-Geschäftsführers nicht annehmen werde. Ein wörtliches Angebot nach § 295 BGB des Geschäftsführers liegt beispielsweise vor, wenn er die Gesellschaft zur Erfüllung seines Dienstvertrages auffordert. Eine Klage auf Gehaltsfortzahlung kann ebenfalls ein solches wörtliches Angebot darstellen. Gibt die Gesellschaft hingegen deutlich zu erkennen, dass sie den Geschäftsführer unter keinen Umständen weiterbeschäftigen will, ist kein wörtliches Angebot nach § 295 BGB erforderlich. So beispielsweise, wenn der Geschäftsführer abberufen wird und bereits ein neuer an die Stelle des ehemaligen Geschäftsführers berufen wird.