Insolvenz des Arbeitgebers

1.    Was ist bezüglich Entgeltforderungen in der Insolvenz zu beachten?

Für die insolvenzrechtliche Behandlung von Entgeltforderungen der Arbeitnehmer ist zwischen Ansprüchen für die Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (sog. Insolvenzforderungen nach § 38 InsO) und Forderungen, die für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschuldet werden (sog. Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InsO) zu unterscheiden. Maßgebend für die richtige Einordnung ist, ob der Anspruch eine Leistung mit Entgeltcharakter betrifft. Als Masseverbindlichkeiten können grundsätzlich nur Leistungsansprüche, die in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zu den nach Insolvenzeröffnung erbrachten Arbeitsleistungen stehen, eingeordnet werden.

Nach § 119 InsO ist eine Vereinbarung, die den Rang von Forderungen für vor Insolvenzeröffnung erbrachte Leistungen zulasten der übrigen Gläubiger verbessert, unzulässig.

 

1.1      Was ist bei Insolvenzforderungen nach § 38 InsO zu beachten?

Wie im Vorherigen bereits kurz erläutert, liegt eine Insolvenzforderung iSv § 38 InsO vor, wenn der anspruchsbegründende Tatbestand schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeschlossen ist. Dies gilt auch, wenn sich eine Forderung des Gläubigers hieraus erst nach Beginn des Insolvenzverfahrens ergibt. Entscheidend ist allein, dass die schuldrechtliche Grundlage des Anspruchs schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist. Keine Insolvenzforderung iSd § 38 InsO sind künftig entstehende Ansprüche.

Lohn- und Gehaltsforderungen von vor der Insolvenzeröffnung sind somit Insolvenzforderungen nach §§ 108 Abs. 3, 38 InsO.

Die Insolvenzforderungen müssen von dem Arbeitnehmer im Rahmen des Insolvenzverfahrens nach § 87 InsO verfolgt und nach § 174 InsO beim Insolvenzverwalter angemeldet werden.

Für den Fall, dass der Insolvenzverwalter eine angemeldete Forderung nicht in die Tabelle einträgt oder die Forderung, ohne seinen Widerspruch zu verfolgen bestreitet, ist der Forderungsgläubiger zur Aufnahme des Rechtsstreits befugt.

 

1.2      Was ist bei Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InsO zu beachten?

Zahlungsansprüche der Arbeitnehmer als Masseverbindlichkeiten sind gemäß § 53 InsO nur vorweg zu berichtigen, wenn die Voraussetzungen des § 55 InsO gegeben sind. Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO sind Arbeitsentgeltforderungen Masseverbindlichkeiten, sofern sie durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne Kosten des Verfahrens zu sein. Charakteristisch für eine solche Masseverbindlichkeit ist, dass die von der Masse aufzubringende Leistung das Äquivalent für die ihr zufließende Gegenleistung darstellt.

Darüber hinaus sind gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO Entgeltansprüche, die aus der Beschäftigung von Arbeitnehmern durch den Insolvenzverwalter nach der Eröffnung des Verfahrens entstehen, und anderweitige Ansprüche, die sich aus dem bloßen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ergeben, Masseverbindlichkeiten, sofern sie in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zu den erbrachten Arbeitsleistungen nach Insolvenzeröffnung stehen.

Lohn- und Entgeltansprüche, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen, sind in der Höhe, die sich aus dem Arbeitsvertrag ergibt, Masseverbindlichkeiten iSv § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO. Hierdurch wird sichergestellt, dass der Gläubiger, der noch voll zur Masse leisten muss, auch die volle vereinbarte Gegenleistung erhält.

 

2.    Was ist bei der Anfechtung von Entgeltzahlungen zu beachten?

In den §§ 129 ff. InsO ist die sog. Insolvenzanfechtung geregelt. Nach § 129 Abs. 1 InsO kann der Insolvenzverwalter Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 InsO anfechten. Die notwendige Gläubigerbenachteiligung ist anzunehmen, wenn eine Rechtshandlung entweder die Aktivmasse verkürzt oder die Schuldenmasse vermehrt und dadurch den Zugriff auf das Vermögen des Schuldners vereitelt oder erschwert und deswegen die Befriedigungsmöglichkeiten der Gläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gewesen wäre.

Grundsätzlich richtet sich die Anfechtung gegen den, dem gegenüber die anfechtbare Handlung vorgenommen worden ist. Bei Entgeltforderungen ist dies grundsätzlich der Arbeitnehmer.

Ist eine Entgeltleistung wirksam angefochten worden, ist der Arbeitnehmer gemäß § 143 Abs. 1 InsO dazu verpflichtet, nach den Vorschriften der ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem Empfänger der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt war, zurückzugewähren, was er erhalten hat. Grundsätzlich betrifft dies das erlangte Nettogehalt des Arbeitnehmers. Etwas anderes kann sich ausnahmsweise ergeben, wenn dem Arbeitnehmer das Bruttoentgelt ausgezahlt wurde.

 

3.    Was ist das sog. Insolvenzgeld?

Das Insolvenzgeld dient dem Schutz des Arbeitnehmers bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Geregelt ist es in den §§ 165 ff. SGB III. Die Finanzierung beruht auf der Erhebung einer monatlichen Umlage bei den insolvenzfähigen nicht-öffentlichen Arbeitgebern. Der Einzug dieser Umlage erfolgt durch die Krankenkassen gemeinsam mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag.

Nach §§ 165 Abs. 1 S. 1 und S. 3 SGB III sind die Ansprüche auf Insolvenzgeld bei Insolvenzereignissen im Ausland auf die in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer ausländischer Unternehmen beschränkt. Ist ein Unternehmen in zumindest zwei Mitgliedstaaten der EU tätig, ist die Einrichtung desjenigen Mitgliedstaates für das Insolvenzgeld zuständig, in dessen Hoheitsgebiet die betreffenden Arbeitnehmer ihre Arbeit gewöhnlich verrichten. Daraus folgt, dass sich die Insolvenzsicherung von Arbeitnehmern deutscher Unternehmen mit einem Arbeitsort in einem anderen Mitgliedstaat nach dem Recht des anderen Staates richtet.

 

4.    Wann besteht ein Anspruch auf Insolvenzgeld?

Nach § 165 Abs. 1 S. 1 SGB III haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Darüber hinaus ist ein rechtzeitiger Antrag erforderlich.

Maßgeblich für die Arbeitnehmereigenschaft ist der Beschäftigtenbegriff in § 7 Abs. 1 SGB IV. Zu den Arbeitnehmern gehören unter anderem auch die nach § 8 SGB IV geringfügig Beschäftigten, Auszubildende und Heimarbeiter. Ein Handelsvertreter ist nur Arbeitnehmer, sofern er nicht selbständiger Gewerbetreibender ist. Der Geschäftsführer einer GmbH und deren Gesellschafter sind nur anspruchsberechtigt, wenn ihre Beschäftigung die Merkmale des § 7 Abs. 1 SGB IV erfüllt.

Arbeitgeber ist, wer das Arbeitsentgelt aus dem im maßgeblichen Zeitraum bestehenden Arbeitsverhältnis schuldet.

Eine weitere Voraussetzung für einen Anspruch auf Insolvenzgeld ist ein sog. Insolvenzereignis. Nach § 165 Abs. 1 S. 2 SGB III gilt als Insolvenzereignis die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers (Nr. 1), die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse (Nr. 2) oder die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt. Das Insolvenzereignis ist einerseits entscheidend für den Dreimonatszeitraum des Insolvenzgeldes, andererseits für die zweimonatige Antragsfrist. Entscheidend für die Fristen ist grundsätzlich das am frühesten eingetretene Ereignis.

Gemäß § 165 Abs. 2 S. 1 SGB III gehören zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt alle Ansprüche auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis. Hierunter fallen alle Ansprüche, die im weitesten Sinne als Gegenleistung für die Arbeitsleistung im Anspruchszeitraum bestehen. Dazu gehören unter anderem auch Aufwendungsersatzansprüche, sofern diese in direktem Zusammenhang mit der Erfüllung von arbeitsvertraglichen Verpflichtungen entstehen, Auslösungen, Anwesenheitsprämien sowie Urlaubsentgelt.

Ein Anspruch auf Insolvenzgeld für Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die Arbeitnehmer wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder für die Zeit nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses haben, besteht gemäß § 166 Abs. 1 Nr. 1 SGB III nicht. Erfasst sind hiervon beispielsweise Abfindungen.

 

5.    Wie hoch ist das Insolvenzgeld?

Das Insolvenzgeld ist so hoch, wie das rückständige Nettoarbeitsentgelt der letzten drei dem Insolvenzereignis vorausgehenden Monate des Arbeitsverhältnisses. Abzuziehen sind die anfallenden Steuern und die gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge. Als maßgebliches Bruttoarbeitsentgelt, aus dem das Insolvenzgeld berechnet wird, gilt nach § 167 Abs. 1 SGB III höchstens ein Entgelt in Höhe der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze in der Arbeitslosenversicherung (§ 341 Abs. 4 SGB III).

Die fälligen Pflichtbeträge zur Kranken- und Rentenversicherung sowie zur sozialen Pflegeversicherung übernimmt nach § 175 SGB III die Agentur für Arbeit.